: Ein gewisser Blutzoll gehört einfach zur Problemwahrnehmung
Das am Montag beginnende euro-afrikanische Gipfeltreffen wird kurz und phrasenreich. EU- und afrikanische Sicht auf eine mögliche Partnerschaft sind grundverschieden
BERLIN taz ■ Eine „strategische Partnerschaft“ zwischen Europa und Afrika soll ein Gipfel zwischen beiden Kontinenten bringen, der am 3. und 4. April in Ägyptens Hauptstadt Kairo stattfindet. Die gigantische Veranstaltung mit dem offiziellen Titel „Afrika-Europa-Gipfel unter der Ägide der Organisation für Afrikanische Einheit und der Europäischen Union“ soll nach Angaben der EU-Kommission dazu dienen, dem Rest der Welt „die Bedeutung und das Potenzial“ Afrikas klarzumachen.
Die Größe des Treffens, zu dem Vertreter aller afrikanischen Länder und sämtlicher EU-Mitgliedsstaaten erwartet werden, steht in umgekehrtem Verhältnis zu seiner Dauer und seiner vermuteten Effektivität. Der Gipfel fängt erst am Nachmittag des 3. April an; es gibt insgesamt drei Arbeitssitzungen von insgesamt neun Stunden und vierzig Minuten. Das ist nicht viel für etwa 67 Länder, die vermutlich alle etwas sagen wollen.
Die Konfliktfelder sind klar. Jeder Kontinent wird dem anderen den Spiegel vorhalten: Europa, das afrikanische Entwicklungen unterhalb eines gewissen Blutzolls kaum noch wahrnimmt, möchte Konfliktlösung in Afrika und den möglichen europäischen Beitrag dazu auf die Tagesordnung setzen, dazu Fragen der Menschenrechte und der Demokratie. Afrikas Führer, die ihre Marginalisierung in der neuen globalisierten Welt nicht hinnehmen, wollen über Afrikas wirtschaftliche und soziale Probleme reden und Europas einstige Kolonialmächte an ihre historische Verantwortung für den südlichen Nachbarkontinent erinnern.
Aus EU-Sicht ist all dies Entwicklungspolitik, die man bereits bei den jüngst abgeschlossenen Verhandlungen über eine Neufassung der Lomé-Verträge mit den AKP-Staaten (Europas Exkolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik) umfassend neu geregelt hat und daher nicht mehr zu diskutieren braucht. Dies ist für Afrika wiederum eine Abwertung seiner Probleme. Eleganterweise hat man diesen Konflikt dadurch gelöst, dass am ersten Tag über die „afrikanischen“ und am zweiten Tag über die „europäischen“ Themen gesprochen wird. Die eigentlich spannenden Fragen, die sich aus der Kombination beider Sichtweisen ergeben, fallen damit unter den Tisch. Dies macht einen weiteren Streitpunkt umso wichtiger: die Frage, welche Langzeitwirkung der Gipfel haben soll.
Die OAU-Außenminster beschlossen bei einem Vortreffen im März, dass der Kairoer Gipfel der erste einer regelmäßigen Serie sein solle. „Uns geht es darum, eine fruchtbare Partnerschaft mit Europa aufzubauen“, sagte Youcef Yousfi, Außenminister von Algerien, das derzeit die rotierende OAU-Präsidentschaft inne hat. „Von daher kommt unsere Idee, Folgemechanismen und die Definition einer Regelmäßigkeit einzuführen.“
Aus europäischer Sicht hingegen ist dieser Gipfel eine einmalige Angelegenheit, der – wenn das auch nicht explizit gesagt wird – vor allem der portugiesischen EU-Präsidentschaft dazu dienen soll, den geostrategischen Weitblick ihres Landes unter Beweis zu stellen.
Andere EU-Länder sind skeptischer. So hat Deutschland, dessen Außenminister Joschka Fischer soeben eine Afrikareise beendet hat und dann am 2. April am Vorbereitungstreffen des Gipfels in Kairo teilnimmt, in einer Stellungnahme eines Außenamtssprechers „Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer Gesamtstrategie gegenüber einem so großen Kontinent“ geäußert.
Auf die europäische Zurückhaltung gegenüber Afrika, die sich in Kairo manifestieren wird, reagieren Afrikas Staatschefs ohnehin längst mit einer Hinwendung zu anderen Partnern – vor allem die USA und China. Die USA erteilen seit ihrem Scheitern in Somalia Militärinterventionen in Afrika eine Absage, beteuern aber zugleich unablässig die Wichtigkeit des schwarzen Kontinents und sind in der Praxis allein am Handel interessiert, was afrikanischen Prioritäten entspricht. China entdeckt im Maße seiner wachsenden geopolitschen Bedeutung, dass es den Führer der Dritten Welt spielen könnte, und verspricht Afrika „Hilfe ohne Vorbedingungen im Rahmen seiner Möglichkeiten“, wie es Staatschef Jiang Zemin im März in Peking ausdrückte.
Beide Länder sind seit einigen Monaten dabei, Möglichkeiten zu einem institutionalisierten und regelmäßigen politischen Dialog mit afrikanischen Führern zu prüfen. Die EU ist dafür nicht offen, und der Gipfel in Kairo wird dies unter Beweis stellen. Europa ist Afrika geografisch näher, bleibt aber politisch ferner. DOMINIC JOHNSON
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