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Verbotene Liebe

Im Frauenhaus: Das Berliner Männerensemblespielt Federico García Lorcas „Bernarda Albas Haus“

Dämmeriges Licht fällt auf die zehn Männer, die sich in den großen Raum der Sophiensaele kauern. Der unerbittliche Schlag von Kirchenglocken beherrscht die Stimmung. Nach und nach beginnen die Männer in ihre Kostüme zu schlüpfen und damit in ihre Rollen. Sie sind Bernarda Alba, deren Töchter und Mägde.

Federico García Lorcas „Bernarda Albas Haus“ ist ein Frauenstück. Wie in George Cukors „Die Frauen“ gibt es zwar keine einzige Männerrolle, aber dennoch dreht sich alles um das andere Geschlecht. Bernarda Albas Ehemann wurde gerade beerdigt, die unverheirateten Töchter sind nun zu einer achtjährigen Trauerzeit zwangsverurteilt. Acht Jahre sollen sie im Hause eingesperrt bleiben und damit all ihre Sehnsüchte.

Das Konzept des seit drei Jahren bestehenden Berliner Männerensembles, Frauenrollen konsequent nur von Männern spielen zu lassen und damit Geschlechterrollen in Frage zu stellen, wirkt in dieser jüngsten Inszenierung noch schlüssiger als zuletzt bei „Die Bakchen“ oder ihrer Bearbeitung von Georg Büchners „Lenz“.

Regisseur Jan Oberndorff liest in Lorcas Stück nicht nur die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen durch die spanische Gesellschaft, sondern auch die verdrängte Homosexualität des 1936 von Falangisten ermordeten Autors. So wie die Frauen im Hause Alba sich alle nach Pepe el Romano (der im Stück selbst nie auftaucht) verzehren und dieser ihnen versagt bleiben soll, musste Lorca sein homosexuelles Begehren verstecken und verdrängen. Es bleibt, bei Lorca wie bei den Töchtern Albas, stets eine verbotene und sanktionierte Liebe. Seine Darsteller hat Frank Lichtenberg in durchgehend schwarze Kostüme gesteckt. Traditionelle spanische Kleidung, lange Röcke und ausladende Tücher wechseln mit trendigen Netzhemden und Muskelshirts. Oberndorff schafft es vom ersten Moment an, jegliche Fummeltrinen-Assoziationen zu vermeiden und den Zuschauern eine eindeutige Geschlechterzuweisung sehr bald unmöglich zu machen.

Er nutzt den morbiden Charme des Theatersaals – das aufragende Baugerüst als Bühnenbild wäre gar nicht nötig gewesen - und schafft über weite Strecken eine sich klaustrophobisch zuspitzende Stimmung. Die hitzig aufgestauten Leidenschaften der Frauen übersetzt er in genau austarierte Gefühlsausbrüche. Was zunächst wie ein uniformer Chor auf die Bühne tritt, entwickelt sich bald zu sehr genau gezeichneten Charakteren.

Die Produktion hat mit TV-Star Tim Bergmann als Bernarda Alba zwar einen respektablen (und überaus überzeugenden) Star aufzubieten, letztendlich bleibt die Aufführung aber eine Ensemble-Inszenierung. Die Darsteller sind auf der Spielfläche ständig präsent und in Bewegung, dazu sind sie schlüssig choreografiert. Wer Lorcas Stück bislang nur in der jüngsten, recht lustlosen Inszenierung des Gorki-Theaters kannte, dürfte an der Version des Berliner Männerensembles doppelte Freude haben. AXEL SCHOCK

Weitere Vorstellungen in den Sophiensaelen, Sophienstr. 18, Mitte, bis 16. April, täglich 20 Uhr. Am 8. April, 23 Uhr, Benefizvorstellung zugunsten der Berliner Aids-Hilfe

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