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Im Krach mit dem Spielstätten-Killer

■ Von den großen Hoffnungen auf den neuen Kultursenator Bernt Schulte ist nur noch ein Scherbenhaufen übrig. Im taz-Interview rechnet der Theaterintendant Klaus Pierwoß mit der neuen Bremer Kultur- und Theaterpolitik ab

Kultursenator Bernt Schulte (CDU) und der Intendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, streiten sich über die Besetzung der Stelle des Verwaltungschefs am Vier-Sparten-Haus. Aber auch in anderen Fragen hat sich das Klima zwischen dem seit 1994 in Bremen arbeitenden Theaterchef und dem Senator, der zugleich dem Theater-Aufsichtsrat vorsitzt, verschlechtert. Pierwoß wirft Schulte und anderen Bremer PolitikerInnen vor, ihn in einer Art Komplott für seine kulturpolitische Unbequemlichkeit abstrafen zu wollen.

taz: Sie erleben mit Bernt Schulte schon die dritte Person im Amt des Kultursenators. Können Sie ihm eine Art Zeugnis ausstellen?

Klaus Pierwoß: Ich kann nicht verhehlen, dass es bei mir einen Sprung von einer positiven Erwartung zu einer gewaltigen Enttäuschung gegeben hat. Es ist eine Enttäuschung über die Theaterpolitik seit seinem Amtsantritt. Da ist das sechsmonatige Warten auf die Unterzeichnung des ausgehandelten Vertrages gewesen. Und auch eine Reihe von Aktionen in der letzten Zeit haben mich sehr verstört. Es ist merkwürdig, dass ein Senator, der für die Unterzeichnung eines Vertrages sechs Monate und länger braucht, schon viereinhalb Jahre vor Ablauf des Vertrages über die Presse mitteilt, dass ich ab 2004 nicht mehr Intendant sein werde. Das ist eine ziemlich instinktlose Klumpfüßigkeit. Wir hatten verabredet, darüber zwei Jahre vor Ablauf des Vertrages zu reden. Wenn er mir mit dieser Frühzeitigkeit auf diese sehr unschöne Weise über die Presse mitteilt, dass ich ab 2004 nicht mehr Intendant bin, habe ich den Eindruck, dass bei der Entscheidung keine Rolle spielt, wie das Theater hier läuft. Ich muss dann mutmaßen, dass meine kulturpolitische Unbequemlichkeit der ausschlaggebende Punkt ist.

Ein weiterer Punkt ist auch, dass er ohne jegliche vorherige Information einfach sagt, das Concordia gibt es ab 2004 nicht mehr. Das ist zum einen ein Vorgriff in die nächste Legislaturperiode, wo man noch nicht weiß, wer dann Kultursenator ist. Es geht zweitens um läppische 70.000 Mark Miete im Jahr. Drittens ist es Bremens einzige experimentelle Raumbühne, die mit Fassbinder, Minks, Tabori und Kresnik eine lange Avantgarde-Tradition hat. Es geht bei diesem Betrag nicht um Einsparungen, sondern um ein spektakuläres Opfer. Nach der Schließung des Jungen Theaters hat man den Eindruck, dass Schulte sich als Killer von Spielstätten profilieren will.

Sagt er, was er meint? Oder weiß er nicht, was er sagt?

Ich muss bei einem Senator schon davon ausgehen, dass er sagt, was er meint. Es ist so, dass in den Nebenabreden meines Vertrages der Status quo der Spielstätten und der Probebühnen enthalten ist. Vor 2004 ist daran gar nicht zu rütteln. Selbst wenn es danach möglich ist, stellt sich immer noch die Frage, was das theaterpolitisch heißt.

Beim Thema Concordia hat Schulte ergänzt, dass er dafür sorgen will, dass auf dem Theatergelände aussreichend Spielstätten zur Verfügung stehen. Ist da überhaupt noch was drin?

Ich bin wieder überrascht. Ich weiß nicht, wo er da noch eine neue Spielstätte auftun will. Wir nutzen schon jetzt beide Röhren des Brauhauskellers und werden im neuen Foyer des Schauspielhauses eine Ecke für Kleinkunst herrichten. Das sind keine Alternativen zum Concordia.

Und was ist mit den neuen Probebühnen?

Die Architekten hätten da gerne eine weitere Spielstätte eröffnet. Doch das ist nicht unser Bedarf. Wir brauchen Proberäume, weil wir die bisherigen an der Industriestraße aufgeben.

Zurzeit schwelt der Konflikt vor allem wegen der Besetzung des Verwaltungschefs. Schulte hat Lutz Dünnwald inthronisiert. Sie haben gesagt, dass das gegen Ihr Votum geschieht. Wie ist dieser Konflikt lösbar?

Das weiß ich im Moment auch nicht. Es war schon ein unmögliches Verhalten, Dünnwald ohne vorherige Mitteilung an mich oder an den Aufsichtsrat der Presse vorzustellen. Die entscheidende Maßgabe des Senators und auch der Findungskommission war, möglichst sofort jemanden zu finden. In sofern war das Votum für Herrn Dünnwald immer ein Gebrochenes. Als ich gehört habe, dass er eineinhalb Jahre lang ein bis zwei Tage pro Woche hier als Geschäftsführer fungieren soll, habe ich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gesagt, das ist doch ein Ding der Unmöglichkeit.

Das sieht man doch am Fall des Generalmusikdirektors Neuhold, der gelegentlich auf Arbeitsurlaub nach Bremen kommt. Der Vertrag mit Neuhold ist übrigens mit der Entbindung von der Residenzpflicht gegen mein vehementes Votum verlängert worden.

Mit einem Teilzeitgeschäftsführer wird uns jetzt eine neue Konfliktbombe ins Haus gelegt. Die Arbeit eines kaufmännischen Geschäftsführers hat mit einem permanenten Informations- und Kommunikationsprozess zu tun, zumalHerr Schulte sich fest vorgenommen hat, einen neuen Anlauf für eine Strukturreform im Theater zu nehmen.

Ist eine Teilzeitentlastung denn keine Entlastung?

Die Konflikte im Theater und die Termine der Politiker werden sich nicht danach richten, wann der kaufmännische Chef hier in Bremen ist. Und wenn Herr Dünnwald sagt, er schafft an ein bis zwei Tagen 70 Prozent seiner Leistungsfähigkeit, muss ich doch meine Zweifel anmelden. All das wird zu unguten Konflikten führen. Es gibt Prozesse am Theater, die kann man nicht mit Fax und Handy erledigen.

Gute Leute sind in der Regel nicht sofort verfügbar. Warum brauchen Sie überhaupt sofort einen Verwaltungschef?

Das war die erste Verabredung zwischen Schulte und mir. Diese Doppelrolle als künstlerischer und kaufmännischer Geschäftsführer ist auf Dauer für mich nicht gut. Dazu bringe ich mich an anderen Stellen hier im Theater auch viel zu sehr ein. Es ist nicht so, dass es keine Alternativen zu Dünnwald gegeben hat.

Staatsrätin Elisabeth Motschmann hat Kompromissbereitschaft signalisiert. Sie hat gesagt, man könne darüber reden, dass Dünnwald auch erst anfangen kann, wenn er mit voller Kraft nach Bremen kommen wird.

Die Politiker müssen wissen, was sie wollen. Nach meinen Erfahrungen weiß ich nicht, wie ein Projekt Strukturreform gehen soll, wenn der kaufmännische Geschäftsführer erst knapp zwei Jahre vor Ende der Legislaturperiode kommt. Es bleibt faktisch dann noch ein Jahr. Denn unmittelbar vor den Wahlen wird solch ein Projekt wie eine Strukturreform nach meinen Erfahrungen nicht mehr angegangen.

Schulte müsste einen Rückzieher machen, oder Dünnwald müsste absagen?

Ich habe kein Szenario im Kopf. Ich muss davon ausgehen, dass man sich darüber klar ist, was man da macht, wenn man gegen mein entschiedenes Votum hier jemanden reindrückt. Da sind in letzter Zeit Aktionen passiert, die mich ungeheuer verstören. Schulte hat versucht, die (Kultur-Controllinggesellschaft; Anm. d. Red.) kmb hier im Theater reinzudrücken, obwohl das nicht durch Gesellschaftervertrag und Geschäftsordnung gedeckt ist.

Ein weiterer Punkt ist, dass jetzt auch vom Finanzsenator, der ja Gesellschafter ist, eine Betriebsprüfung angekündigt wurde. Wir können allmählich eine weitere Ar-beitskraft nur für diese ganzen Kontrollvorgänge einstellen. Anderen Kultureinrichtungen geht es zum Teil noch viel schlimmer. Der Finanzsenator hat uns jetzt mitgeteilt, dass wir noch Gewerbesteuern von 1992 bis 1994 nachzahlen sollen. Das ist eine Ermessensentscheidung, zu der man acht Jahre später kommt.

Ich kann das nicht für Zufälle halten. Es ist ein Netzwerk von Aktionen, gegen die wir uns permanent zur Wehr setzen müssen. Man kann allmählich die Arbeit einstellen und nur noch zu Beratungsseminaren gehen.

Wenn das kein Zufall ist, welcher Plan steckt dahinter?

Ich glaube, dass es einigen ganz gewaltig stinkt, dass ich ein unbequemer und kein pflegeleichter Intendant bin. Es gibt nicht wenige, die geunkt haben, lass ihn doch ziehen. Mit eigenständigen Personen tun sich viele Politiker sehr schwer.

Welche konkreten Erfahrungen haben Sie persönlich mit der kmb und ihrem Geschäftsführer Volker Heller?

Ich habe ein sehr langes Gespräch mit Herrn Heller gehabt, wo wir unsere unterschiedlichen Positionen dargestellt haben. Die Positionen sind darin konträr, dass die kmb die Kulturszene an den Haushalt anpassen will und wir versuchen, den Haushalt an die Bedürfnisse der Kultur anzupassen.

Schulte hat jetzt Hoffnungen geweckt, dass der Kulturetat möglicherweise doch noch um neun Millionen Mark erhöht wird und dann auf 133 Millionen Mark eingefroren werden soll. Ist das eine Lösung, mit der Sie leben könnten?

Diese Lösung lässt noch immer offen, wie man innerhalb dieses Etats mit uns umgeht. Wenn der Kulturetat eingefroren wird, ist das angesichts der Tariferhöhungen faktisch eine Kürzung um jährlich rund drei Prozent. Die Kulturszene wird weiterhin darben.

Man muss immer wieder sagen, dass der Bremer Kulturetat auf eine erbärmliche Weise unterfinanziert ist. Die Stadt macht negative Schlagzeilen durch ihre Kultur- und Theaterpolitik. Positive Schlagzeilen machen allein die Kulturinstitutionen. Ich wünsche mir und uns allen, dass dieses Problem den Entscheidungsträgern endlich klar wird.

Wenn der Senat in zwei Wochen Schultes Etatentwurf zustimmt, wird die von Ihnen mitgegründete Kulturinitiative Anstoß nicht mitfeiern?

Es ist uns gelungen, durch sehr viele Veranstaltungen und Gespräche etwas zu bewirken. Das wäre dann sicher ein relativer Erfolg, über den man sich auch freuen kann. Aber das ist ein Teilerfolg, der uns nicht ruhen lassen darf. Die Grundkonstellation des unterfinanzierten Etats hat sich ja nicht geändert. Vielleicht setzt die Politik darauf, dass uns der Atem ausgeht. Aber gerade die letzten Veranstaltungen sind ein Beweis dafür, dass der Bevölkerung die Kultur nicht gleichgültig ist.

Fragen: Christoph Köster

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