DIE EUROPÄISCHEN KONSERVATIVEN SETZEN MITARBEIT DER ÖVP AUS: Etikettenschwindel
Man muss Wolfgang Schüssel eins zugute halten: Er hat ein bisschen Pep in die Sitzungsroutine der Europäischen Volkspartei gebracht. Während der Sprecher der deutschen Konservativen am Donnerstagmorgen noch entspannt vom Auto-Handy aus berichtete, die Entscheidung über den ÖVP-Ausschluss sei auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, tobte in seiner Fraktion im Europaparlament schon die Palastrevolution.
Am Ende blieb den Parteimanagern nur das, was derzeit allen Europapolitikern bleibt, die sich mit den Folgen der Regierungsbildung in Österreich herumschlagen: Zuflucht zu einer diplomatischen Finte zu nehmen. Die Europäische Volkspartei verhinderte die Spaltung ihrer Partei dadurch, dass sie den Terminus „Mitarbeit aussetzen“ in den Raum stellte, ohne allzu genau intern zu klären, was damit gemeint sein soll.
Aus Sicht des spanischen EVP-Sprechers Gerardo Galeote wird sich die österreichische Parteigruppe bis auf weiteres nicht mehr an den Aktivitäten der Partei beteiligen. Auf dieser Grundlage zogen die französischen, italienischen und belgischen Christdemokraten, die vor zwei Monaten den Putsch angezettelt hatten, ihren Antrag auf Ausschluss der ÖVP zurück.
Das deutsche EVP-Präsidiumsmitglied Ingo Friedrich, das sich mit der gesamten deutschen EVP-Gruppe schon vor zwei Monaten vehement gegen die Ächtung Österreichs ausgesprochen hatte, gab prompt seine Version bekannt, was unter „Mitarbeit aussetzen“ zu verstehen sei: Man habe sich geeinigt, ein dreiköpfiges Gremium zu berufen, das die rechtsextremen Entwicklungen in ganz Europa und Österreich beobachten und innerhalb der nächsten Wochen dazu einen Bericht vorlegen solle. Die Mitgliedschaft der ÖVP sei während dieser Beobachtungsphase in den Sitzungen der Organe der EVP ausgesetzt – die ÖVP-Parlamentarier würden selbstverständlich unverändert innerhalb ihrer Fraktion im Europaparlament weiterarbeiten.
Wie war das noch? Der Berg kreißte und gebar – einen Terminus. Man könnte auch bösartig sagen: einen Etikettenschwindel. DANIELA WEINGÄRTNER
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