piwik no script img

Mit einem Trick in die Wiener Hofburg

Österreichs Bundeskanzler Schüssel ist nicht eingeladen, Außenministerin Ferrero-Waldner schleicht sich im Gefolge des Bundespräsidenten ein: Die Begleitumstände der Eröffnungsfeier des Anti-Rassismus-Büros der EU in Wien sind kurios

WIEN taz ■ Eigentlich hätte beim Festakt zur Eröffnung der „Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ (EUMC) in der Wiener Hofburg Viktor Klima im Namen der Regierung sprechen sollen. Aber seit der Zusammenstellung der Gästeliste hat sich in Wien politisch bekanntlich einiges verändert. Weder Klimas Nachfolger als Bundeskanzler, Wolfgang Schüssel (ÖVP), noch sein designierter Nachfolger als SPÖ-Chef, Alfred Gusenbauer, bekamen die Einladung zugestellt. Schüssel will sich durch Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (ÖVP) vertreten lassen.

Der Eiertanz um den Umgang mit Ferrero-Waldner wird zweifellos die Berichterstattung über die Zeremonie dominieren. Den Zutritt kann man der Diplomatin nicht verwehren, denn sie schleicht sich als Mitglied der Delegation von Bundespräsident Thomas Klestil ein. Sie bestreitet zwar nicht, dass sie zu diesem Trick Zuflucht nehmen musste, sieht die Sache aber sehr eigenwillig: „Ich werde als Vertreterin der Bundesregierung teilnehmen.“ Schließlich habe sich Wolfgang Schüssel in seiner früheren Eigenschaft als Vizekanzler sehr dafür eingesetzt, dass diese EU-Beobachtungsstelle überhaupt nach Wien kommt. „Es ist eine EU-Institution, daher glaube ich, dass es absolut legitim ist, wenn hier auch eine Vertreterin der Bundesregierung teilnimmt“, sagte Ferrero-Waldner.

Beate Winkler, die Leiterin des EUMC, bestätigte dem ORF-Hörfunk, dass die Ministerin Einlass finden würde. Kurios ist, dass Ferrero-Waldner vom niederländischen Amtskollegen Jozias van Aartsen ausdrücklich um ihre Anwesenheit gebeten wurde. Er hatte alle EU-Außenminister eingeladen, um zu demonstrieren, dass es der EU mit der Rassismusbekämpfung ernst sei. „Wir sind der Meinung, dass Frau Ferrero-Waldner dazu gehört. Schließlich gilt der gegen Österreich verhängte Boykott wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ in Wien nicht innerhalb der EU-Gremien“, ließ ein Sprecher der Haager Regierung verlauten.

Unversöhnlich gibt sich der 70-jährige Verwaltungsratsvorsitzende der Anti-Rassismus-Beobachtungsstelle, Jean Kahn. Der Vorsitzende des Zentralrats der Jüdischen Gemeinde in Frankreich wendet sich nicht nur gegen die Aussprüche von FPÖ-Chef Jörg Haider, sondern ortet in der Freiheitlichen Partei allenthalben „Nazinostalgie, Fremden- und EU-Feindlichkeit“. Die kritischen Töne selbst von Seiten seiner Parteifreunde hat Wolfgang Schüssel zu peinlichen Maßnahmen veranlasst. Drei der 38 Mitglieder der Europäischen Volkspartei (EVP) – die belgische Christdemokratie, die französische UDF und die italienische PPI – haben den Ausschluss der ÖVP beantragt. Da man eine Abstimmung vermeiden will, reiste EVP-Vorsitzender Wilfried Martens am Mittwoch eigens nach Wien, um mit Schüssel eine Lösung zu finden, die allen Beteiligten erlaubt, das Gesicht zu wahren. Das Ergebnis ist, dass die ÖVP gestern ihre Mitgliedschaft vorerst „freiwillig“ suspendiert hat.

Die Sanktionen gegen Österreich und Österreicher, die eigentlich die Regierung treffen sollten, haben in manchen Ländern groteske Formen angenommen. Dass sich Schüler bei Austauschprogrammen in Belgien, wenn sie nicht überhaupt ausgeladen werden, als Nazis beschimpfen lassen müssen, hat bereits Klarstellungen von prominenten EU-Politikern nach sich gezogen. So sei der Boykott nicht intendiert, hieß es.

Für den österreichischen Schriftsteller Franzobel, ein ausgewiesener Kritiker der neuen Regierung in Wien, gab es keine Gnade: Eine Autorenlesung in Paris wurde abgesagt. Auch die „Fête du pain“ in Paris wird im Mai ohne die österreichischen Bäcker stattfinden. Und ein Weinimporteur in den USA, der auf den Grünen Veltliner nicht verzichten will, ließ die österreichischen Winzer schriftlich dem Nationalsozialismus abschwören, bevor er seine Bestellung bestätigte. RALF LEONHARD

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen