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Schutz mit kleinen Ausnahmen

Auf der Artenschutzkonferenz in Nairobi fordern Namibia, Simbabwe, Botswana und Südafrika den eingeschränkten Handel mit Elfenbein

aus Nairobi PETER BÖHM

Bei der Ausbildung ihrer Wildschützer achtet die Schule der Kenianischen Wildtierbehörde (KWS) in Manyani auf Authentizität. In einer Übung soll Jagd auf Wilderer gemacht werden, und die sehen aus wie im richtigen Leben. Sie tragen den Kikoi, das um die Hüfte geschlungene Tuch der Somalis, den Turban und die beliebten Plastiksandalen. Nur die Kalaschnikows, mit der die wirklichen Wilderer auf Elefantenjagd gehen, fehlen. Schließlich sieht man auch so, dass es sich bei den verkleideten Gestalten um die „Shifta-Banditen“ aus Somalia handeln soll, die seit Jahrzehnten den Nordosten Kenias unsicher machen.

Als die Wildschützer-Azubis in ihren Jeeps auftauchen, versteckt sich der kleine Banditentrupp hinter einem Verschlag. Doch zu spät: die scharfen Feldstecher der Elefantenschützer haben sie entdeckt. Rasant preschen sie mit dem Jeep auf den Verschlag zu. Eine Salve Platzpatronen geht auf ihn nieder. Die verkleideten Wilderer rennen in alle Richtungen davon. Im Ernstfall hätte es wohl einen gefährlichen Schusswechsel gegeben, und vermutlich hätten auch einige der Wilderer ihren frevlerischen Einsatz mit dem Leben bezahlt. Denn Kenias Wildtierbehörde kennt keine Gnade mit illegalen Elfenbeinjägern. Schon gar nicht im Vorfeld der Cites-Konferenz über den Handel mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten, die heute in der Hauptstadt Nairobi beginnt.

Der Kampf gegen die Wilderer findet nicht nur in der Savanne statt. Schon seit Wochen ist in der Hauptstadt Nairobi auf vielen großflächigen Werbeplakaten zu lesen, welche Position Kenia zur Frage des Handels mit seinen Elefanten einnimmt: „Mein Land. Meine Elefanten. Meine Entscheidung. Für ein totales Verbot des Elfenbeinhandels.“ Vor allem die vielen internatonalen Delegierten und Lobbyisten, die für die Cites-Konferenz angereist sind und in den nächsten Tagen über den Elfenbeinhandel streiten werden, sollen es lesen.

Denn Kenia ist – zusammen mit Indien, wo die Zahl der Elefanten seit der letzten Cites-Konferenz ebenfalls stark zurückgegangen ist – entschlossen, diesmal keine weitere Ausnahme beim Elfenbeinhandel durchgehen zu lassen. Auf dem letzten Cites-Treffen 1997 hatten Namibia, Simbabwe und Botswana die Zweidrittelmehrheit der Delegierten für ein „Experiment“ auf ihre Seite ziehen können: Einmalig wurde für diese Staaten ein kontrollierter Elfenbeinhandel erlaubt. Im April 1999 durften deshalb 50 Tonnen Elfenbein von natürlich verendeten oder legal geschossenen Problemtieren aus Namibia, Botswana und Simbabwe für fünf Millionen US-Dollar nach Japan verkauft werden.

Nach diesem Deal will nun auch Südafrika wieder mit Elfenbein handeln. 30 Tonnen des weißen Goldes liegen allein im Krüger-Nationalpark in bewachten Lagern zur Ausfuhr bereit. Besonders Japan ist interessiert. Zusammen fordern die vier südafrikanischen Länder auf der 11. Cites-Konferenz deshalb, den Verkauf ihres gelagerten Elfenbeins, sowie den Handel mit Häuten, Lederwaren und Jagdtrophäen von Elefanten zu erlauben, solange sie nur zum Eigenbedarf der Käufer bestimmt sind.

Eingeschränkter Handel würde Wilderei anheizen

Trotz der Tatsache, dass man für alle Produkte ein amtliches Herkunftszertifikat vorweisen müsste, ist dieser Vorschlag für den Direktor des Tsavo-Nationalparks, Naftali Kio, ein Sakrileg. „Nach unseren Erkenntnissen“, sagt er, „ist das größte Problem der Wilderer, einen Abnehmer für ihre Stoßzähne zu finden. Im Augenblick jagen sie und vergraben ihre Beute. Aber wir befürchten, dass, wenn der Handel wieder legalisiert wird, auch wieder ein nichtkontrollierbarer Markt entstünde, der wiederum die Wilderei anheizen würde.“

Auch die Wildtierbehörde (KWS) behauptet, seit dem vergangenem Jahr – also seit dem einmaligen Verkauf nach Japan – habe die Wilderei schon wieder merklich zugenommen. In Tsavo, sagte Patrick Omondi, wissenschaftlicher Mitarbeiter der KWS, wurden im vergangenen Jahr 37 Tiere getötet – rund doppelt soviel wie im Mittel der neunziger Jahren. Landesweit mussten 66 Elefanten sterben – auch das eine signifikant höhere Zahl als der Durchschnitt in der vergangenen Dekade. Dass der Schmuggel trotz eines 1997 installierten Überwachungssystems auf vollen Touren läuft, zeigen auch die Funde der Zollfahnder: In den vergangenen Monaten wurden mehr als 13 Tonnen Elfenbein beschlagnahmt.

Tsavo, rund 100 Kilometer von Kenias Touristenmetropole Mombasa entfernt und mit 150.000 jährlichen Besuchern einer der beliebtesten Parks des Landes, ist typisch für die Probleme bei der Überwachung der Naturreservate. Mit 21.000 Quadratkilometern ist er etwas größer als Rheinland-Pfalz, und fast die Hälfte davon ist nicht für die Besucher zugänglich, weil dort ihre Sicherheit nicht gewährleistet werden kann. Tsavos nahezu endlos erscheinenden Savannen sind einfach nicht lückenlos zu überwachen. Da hilft auch keine mit Flugzeugen und Informanten in der lokalen Bevölkerung ausgerüstete Kompanie von paramilitärisch organisierten Wildhütern, auch wenn sie besser bezahlt werden als die kenianische Polizei und die Armee und Experten ihr bescheinigen, fast korruptionsfrei zu sein.

Trotz des Anstiegs der Wilderei in Kenia im vergangenen Jahr besteht jedoch nicht die Gefahr eines Rückfalls in die Schlächterei der Siebziger- und Achtzigerjahre. Tsavos Elefantenbestand allein sank damals von 48.000 (1969) bis auf 6.033 20 Jahre später. Landesweit waren nach 20 Jahren fast unkontrollierter Wilderei von 167.000 gerade einmal noch 10 Prozent (16.000) übrig geblieben.

1989 änderte Kenia seine Politik deshalb radikal. Der weiße Kenianer Richard Leakey wurde zum Chef von KWS berufen. Er machte Kenia zum Musterland des Wildtierschutzes und damit zum Liebling der Elefanten liebenden Gebernationen aus Europa und den USA, die die Wildtierbehörde seither großzügig fördern. Kritiker, die auch in Kenia nicht selten sind, argumentieren deshalb, der vehemente Einsatz der Regierung vor der Cites-Konferenz für ein erneutes absolutes Handelsverbot liege weniger an der Sorge um die kenianischen Wildtierbestände als an der Befürchtung, die finanzstarken Elefantenliebhaber würden ihre Spenden sonst einfrieren. Denn die rund 1.000 KWS-Wildtierhüter und die Instandhaltung der Parks in Kenia könnten nicht allein durch die Eintrittsgelder bezahlt werden.

Dank des großen Einsatzes der Kenianischen Wildtierbehörde haben sich die Elefantenpopulationen wieder etwas erholt. Nachdem sie auf dem gesamten Kontinent Ende der 80er-Jahre um die Hälfte reduziert waren, wachsen sie nun wieder. In Kenia sind es heute, nach dem Tiefstand von 16.000 (1989), wieder mehr als 22.000.

Einfuhr von Elfenbein nach Europa bleibt verboten

Naturschutzverbände rechnen diesen Erfolg zweifellos dem auf der Cites-Konferenz von 1989 beschlossenen Handelsverbot für Elfenbein an. Auch wenn dafür wohl weniger die verstärkten Kontrollmaßnahmen in den Herkunftsländern als die gesetzlichen Einfuhrverbote in Europa und den USA verantwortlich sein dürften. Dadurch sank die Nachfrage und folglich der Preis für Elfenbein beträchtlich. Unabhängig davon, ob die Cites-Konferenz am Ende den kontrollierten Handel in Südafrika erneut erlauben und man als Tourist dann dort Elfenbein kaufen können wird – die Einfuhr nach Europa und in die USA wird weiter illegal bleiben.

Die britische Elefantenschutzorganisation „Born Free“ und ihr kenianischer Partner „Save the Elephants“ sind sich einig, dass das Management der Elefantenbestände in Kenia, Simbabwe, Namibia, Botswana und Süd-Afrika vorbildlich läuft – auch dank der steigenden Touristenzahlen, die an lebenden Elefanten und weniger an Elfenbein interessiert sind. Die Problemzonen liegen eher in solchen Ländern wie Kongo, Angola und Sudan, wo seit Jahren Bürgerkriege toben. Nach einem Bericht von „Born Free“ wurden in den vergangenen beiden Jahren in Afrika insgesamt 30.000 Elefanten gewildert. Die vom Cites-Sekretariat bekannt gegebene Zahl von 6.000 sei viel zu niedrig, weil einige Länder nur unvollständige oder gar keine Angaben gemacht hätten. Und in der jüngsten Untersuchung von „Save the Elephants“ heißt es, dass sich die Zahl der Elefanten im Garamba National Park, in der Nordostecke der DR Kongo, durch die Wilderei in den vergangenen fünf Jahren halbiert habe.

Abschreckendstes Beispiel für den Umgang mit bedrohten Tieren ist jedoch Somalia: Vor dem nun ins zehnte Jahr gehenden Bürgerkrieg soll es dort auch einmal Wildtiere gegeben haben. Davon ist nur noch das Dikdik, ein hundehohe Gazelle, übriggeblieben. Und die ist für potenzielle Touristen so attraktiv wie in unseren Breiten das Kaninchen.

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