: Nichts mehr als ein schwarzes Loch
Jugend hilft Jugend hilft Substituierten beim Bewältigen des Alltags ■ Von Elke Spanner
Die Versuchung ist groß. Das Leben in der Szene ist perspektivlos, aber vertraut, der Tag ohne Droge und Kick plötzlich verdammt lang. Rückfälle gehören zur klassischen Drogenkarriere fast immer dazu. Auch der Ersatzstoff Methadon ist für viele Junkies zwar eine Hilfe, aber kein Durchbruch. Denn Me-thadon erspart zwar den schmerzhaften Entzug, aber auch den Kick – das heroin-abstinente Leben, vorher herbeigesehnt, ist plötzlich nicht mehr als ein fades schwarzes Loch. Um der Versuchung eines Rückfalls zu begegnen, bietet die neue „psychosoziale Betreuung für Substituierte (PSB)“ des Trägers „Jugend hilft Jugend“ neben Beratung und Akupunktur ein umfassendes Kursangebot, das Substituierten ermöglichen soll, ihren Alltag zu strukturieren.
Täglich ist geöffnet. Unter der Woche stehen Einzel- und Gruppengespräche, Mal- oder Computerkurse auf dem Programm, am Wochenende Fußball und Volleyball. Christian kommt zwei bis dreimal die Woche, um den ganzen Tag in den Räumen in der Altonaer Mendelssohnstraße zu verbringen. Seit 1994 versucht der 33jährige, mit Methadon vom Heroin loszukommen. Es gab Monate, in denen er durchhielt, und es gab die vielen Momente, in denen er sich vor Langeweile doch wieder in die Szene begab. Jetzt macht er bei JhJ einen Computerkurs, „Beratung alleine reicht eben nicht“.
Seit Ende Januar hat der Träger die neuen Räume bezogen. Rund 50 KlientInnen, so die Therapieleiterin bei JhJ, Regine Ackermann, haben das neue Angebot bisher genutzt. Sie ist zuversichtlich, dass es sich in der Szene schnell herumsprechen und gut angenommen wird – obwohl der Start schwierig war. JhJ hat vorigen Sommer den Zuschlag für die PSB bekommen, weil dem Verein „Palette“ von der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) nach öffentlicher Ausschreibung die Trägerschaft für ein Projekt entzogen worden war. Dagegen hatten die dortigen KlientInnen scharf protes-tiert und mehrfach demonstriert. Der Wechsel zu neuen TherapeutInnen, so ihre Befürchtung, könnte die erreichten Erfolge wieder zunichte machen. Die Gefahr konnte dann dadurch umgangen werden, dass zwar Jugend hilft Jugend die neue Einrichtung eröffnete – und die BAGS den „Palette“-KlientInnen die Betreuung beim alten Träger dennoch weiterhin ermöglichte.
JhJ will den Schwerpunkt darauf setzen, den KlientInnen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ein Stockwerk tiefer hat die Agentur „Zeitfluss“ ihre Büros, die bei Unternehmen Jobs für Ex-Junkies aquiriert. JhJ selber hat einen Pool von 12 Stellen, die ehemalige DrogenkonsumentInnen über den Einstieg als Tagelöhner an einen geregelten Alltag gewöhnen sollen.
Wer auf Droge ist, so Therapieleiterin Ackermann, fliegt nicht aus der PSB raus, muss aber den offenen Cafébereich verlassen: „Um die anderen nicht in Versuchung zu bringen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen