: Vom Abschiebeknast auf die Straße
Ein minderjähriger Tamile ist spurlos verschwunden, nachdem er sich selbst überlassen wurde
Der minderjährige Tamile Kandan R. ist bei seiner Entlassung aus dem Abschiebegewahrsam Moabit buchstäblich auf die Straße gesetzt worden. Eine Mitarbeiterin des Deutschen Roten Kreuzes berichtete gestern, dem vermutlich 12-jährigen Jugendlichen sei bei seiner Entlassung am vergangenen Freitag lediglich ein Zettel in die Hand gedrückt worden, dass er sich bei der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (ZAA) am Friedrich-Krause-Ufer melden solle. Seitdem ist der Junge, der drei Wochen in Abschiebehaft gesessen hatte, spurlos verschwunden.
„Das ist ein starkes Stück. Der Junge hätte direkt zur Clearingstelle für minderjährige Flüchtlinge gebracht werden müssen“, sagte Simone Marten, Mitarbeiterin des DRK-Projektes, das Kandan R. betreuen sollte. Eine Vormundschaft für den Jungen, der ohne Eltern in Berlin ist, wurde bereits beantragt. Mit den Sozialarbeitern des Abschiebegewahrsams sei alles abgesprochen gewesen, so Marten, doch diese seien offenbar gar nicht über die Freilassung des Jungendlichen informiert worden.
Die Sprecherin der Senatsinnenverwaltung, Isabelle Kalbitzer, bestätigte gestern, dass der Jugendliche ohne Begleitung aus der Abschiebehaft entlassen worden sei. Er sei angewiesen worden, sich am Friedrich-Krause-Ufer zu melden, allerdings beim Landeseinwohneramt und nicht bei der ZAA. Diese sei auch gar nicht für den Jungen zuständig.
Die einzige Hoffnung der DRK-Mitarbeiter ist nun, dass der Junge zu Verwandten in Berlin gefunden hat. Sein Rechtsanwalt konnte die Familie bislang aber nicht erreichen.
DOROTHEE WINDEN
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen