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Playboys im Regen

Auf der TV-Messe Mipcom deckt Europa seinen Programmbedarf. Der deutsche Markt ist heftig umkämpft, und „Tatort“ läuft bald in Amerika

von CHRISTIAN WAGENER

Das digitale TV-Zeitalter kommt. Interaktives Fernsehen und all die Konvergenzen sind mittlerweile mehr als „hype“ und „buzzwords“. Jetzt, oder zumindest sehr bald, lässt sich damit richtiges Geld verdienen. Kein Wunder, dass sich das auf dem größten TV-Programmmarkt der Welt, der MIPTV in Cannes, bemerkbar macht: Über 10.000 Bildschirmprofis zwängen sich hier noch bis heute Abend in den grell verkleideten Bunker an der Croisette, der alljährlich im Mai auch die unpassende Kulisse für die Filmfestspiele abgibt, um die Stände von Sendern und Produktionsfirmen aus 48 Ländern zu belagern.

Seit 1965 treffen sich die Herren des Fernsehens zweimal im Jahr am Mittelmeer – das Herbst-Pendant zur MIPTV, die Mipcom, findet immer im Oktober statt. Gegen beide Messen sind alle anderen Veranstaltungen dieser Art in Europa drittrangig: Hier wird entscheiden, wie das TV-Programm in den meisten Ländern demnächst aussehen wird.

Und alle Programmhändler hätten nun auch gerne etwas ab von dem Profit, den die neuen Technologien verheißen. So wurde der Mega-Branchentreff in diesem Jahr kurzerhand um einen Tag und einen Konferenzblock erweitert, den „Mipnet-Day“. Erstmals gibt es auch eine Koproduktionsbörse für Konvergenzinhalte, also TV-Programme mit Internetpotenzial. Dazu gehört etwa die französischen Thrillerserie „The Insiders“ über vier junge Wall-Street-Broker: Parallel soll eine virtuelle Börse entstehen, an der aufmerksame Zuschauer mit dem Wissen aus der Serie spekulieren können.

Selbst wenn sich der internationale Programmhandel in den kommenden Jahren wirklich ins Internet verabschieden wird, neue Produktionen online zu besichtigen sind und eigentlich niemand mehr nach Cannes fahren müsste, braucht man sich um das reale Messegeschehen vorerst keine Sorgen machen: Zu unentbehrlich und zu reizvoll bleiben die sozialen Elemente des Geschäftemachens, und die nette Landschaft an der Côte d’Azur ist auch nicht zu verachten. Im Gewirr der Gänge und Sprachen wird eifrig gedealt, unter dem Summen der Klimaanlagen und dem Scheppern der Promotion-Trailer schleichen lebensgroße Comicfiguren verloren durch das Heer der „Mipisten“, die für so etwas keine Zeit haben. Erst am späten Nachmittag werden die Schlipse gelockert. Dutzende von Cocktails und Empfängen warten dann, in den Nobelhotels „Majestic“, im „Martinez“ oder auf nahebei ankernden Yachten.

Den Akteuren aus Deutschland gilt wieder einmal besonderes Interesse. Zwar sind die Milliarden-Deals von Kirch und Bertelsmann mit den mächtigen US-Anbietern passé. Der deutsche TV-Markt – vom Umsatz her der zweitgrößte weltweit nach den USA – ist erwachsen, heißt es, wird doch die Primetime der Marktführer inzwischen weitgehend von Eigenproduktionen bestritten. Andererseits sorgt der hohe Wettbewerb durch die über 30 deutschen Sender für eine anhaltende Programmnachfrage.

Eitel Sonnenschein, würde man meinen, gäbe es nicht diesen hartnäckigen Tiefausläufer über der Riviera. So hüpfen die leicht geschürzten Mädels mit dem künstlichen Lächeln beim Strand-Volleyball im Dauernieselregen herum und die Promo-Aktion von „Playboy TV“ bietet ein recht unwirkliches Bild – fast wie im richtigen Fernsehen.

Und auch für ein deutsches Tradionsformat hat sich die MIPTV gelohnt: Als erste „Tatort“-Kommissare flimmert demnächst das Kölner Dreamteam Ballauf und Schenk über die US-Bildschirme – allerdings nur bei einem Regionalsender in Washington. Verdient hat die ARD nach eigenem Bekunden dabei auch eher wenig: Das Geld reicht gerade für die Untertitel.

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