: Mit allen Mitteln gegen freie Medien
Milosevic weiß um die Macht der veröffentlichten Meinung: Er machte sich das Staatsfernsehen untertanund schnürt durch sein neues Informationsgesetz unabhängigen Stimmen der Opposition die Kehle zu
BELGRAD taz ■ Slobodan Milošević hat früh erkannt, dass der Weg zur Macht über die Medien führt. Noch bevor er sich um die höchsten Ämter in Serbien und Jugoslawien kümmerte, besetzte er die einflussreichsten Medien mit seinen Anhängern.
Während der Kriegsjahre haben diese, vor allem das Staatsfernsehen, eine Scheinwirklichkeit geschaffen. Milošević konnte bisher alle seine Niederlagen als Siege präsentieren und an der Macht bleiben.
Im Laufe der letzten Jahre hat sich als Gegenpol eine Reihe oppositioneller Medien entwickelt, die vor allem dank finanzieller Unterstützung aus dem Ausland existieren. Besonders nach dem Wahlsieg der Opposition in vielen Städten Serbiens 1996/97 übernahm diese die lokalen Sender und gründete eine Reihe von unabhängigen Zeitungen.
Angesichts der Tatsache, dass laut jüngster Umfrage 71 Prozent der im Februar Befragten mit der Regierung unzufrieden und nur 15 Prozent zufrieden waren, (mit Slobodan Milošević 66 Prozent unzufrieden, 19 Prozent zufrieden), wird das Regime nervös. Eine immer schärfer werdende Kampagne gegen unabhängige und oppositionelle Medien hat begonnen.
Eingesetzt wird vor allem das neue Informationsgesetz. Danach können auf Antrag privater oder juristischer Personen, die sich beleidigt fühlen, Einzelrichter innerhalb von 24 Stunden sehr hohe Geldstrafen verhängen. Ein Beispiel: Das Wochenmagazin Vreme schrieb, der serbische Kulturminister Željko Simić habe den Generalintendanten des Belgrader Nationaltheaters, Nebojša Bradić, abgesetzt und sich auf diesen Posten gehievt. Minister Simić klagte, das sei unwahr, nicht er, sondern die Regierung Serbiens habe das getan. Dass er an der entsprechenden Sitzung als Minister teilnahm, wurde von niemandem bestritten. Vreme wurde zu 350.000 Dinar (rund 16.000 Mark) Strafe verurteilt. Und Simić erhob gleich eine neue Klage auf 500.000 Dinar als Schadenersatz für Beleidigung und erlittenen „psychischen Schmerz“.
Viele ohnehin verarmte Medien haben solche Strafen bezahlt. Es werden aber in immer schnellerem Tempo neue verhängt, die letztendlich zum Bankrott führen sollen.
Manche weigern sich inzwischen, zu zahlen, so die Provinzzeitung Narodne novine aus Niš, die 350.000 Dinar zahlen soll, weil sich die Armee von einem Text über eine Mobilmachung beleidigt fühlte. Jetzt stehen tagelang hunderte von Bürgern vor der Redaktion, um die Inspekteure des Kommunikationsministeriums zu hindern, Geräte, Computer usw. zu beschlagnahmen.
Die auflagenstärkste Tagsezeitung Serbiens, Novosti, deren Ausgabe für Europa als Evropske novosti in Deutschland erscheint, wurde von der Regierung einfach enteignet, obwohl sie eine AG war. Nun ist sie gleichgeschaltet.
Elektronische Medien werden auf unterschiedlichste Art behindert. Der Fernsehsender Studio B wird während der Informationssendungen elektronisch gestört. Unbekannte Täter zerstören Antennen und Installationen unabhängiger Medien. Oder es werden plötzlich sehr hohe Nachzahlungen für Lizenzgebühren gefordert. Wenn sie nicht prompt bezahlt werden, werden die Anlagen beschlagnahmt. Frequenzen werden mit fadenscheiniger Begründung vom Ministerium für Telekommunikation entzogen. Der jüngste Streich: Die Frequenz des verbotenen „Radio Bum“ in Požarevac (Geburtsstadt Milosevics und seiner Frau), soll „Radio Madonna“ zugeteilt werden. Das gehört der Präsidententochter Marija Milošević.
Allerdings weicht das Regime auch vor Protesten der Bevölkerung zurück. So wurde in der Stadt Kraljevo das verbotene lokale Fernsehen nach zehntägigen Demonstrationen wieder zugelassen.
Vor der gestrigen Demo erstreckten sich die Maßnahmen auch auf Auslandskorrespondenten: Sechs von ihnen und drei spanische Gewerkschafter wurden trotz gültiger Einreisepapiere festgehalten und mussten nach einer Übernachtung auf dem Flughafen wieder nach Hause fliegen. ANDREJ IVANJI
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen