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Liebesbriefe zum 1. Mai

Die Polizei schickt „gewaltbereiten Kreisen“ postalische Appelle, sich am 1. Mai friedlich zu verhalten. Die Antifaschistische Aktion Berlin fordert die Polizei schriftlich auf, zu Hause zu bleiben

von BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

Die Polizei zieht alle Register, um ihr Deeskalationskonzept für den 1. Mai an den Mann zu bringen. Während für „jugendliche Mitläufer“ Fußball und Rockmusik angeboten werden, bekommt der „harte Kern“ Briefe vom Landeskriminalamt. „Nach polizeilichen Erkenntnissen sind Sie in der Vergangenheit als Teilnehmer an gewalttätigen Versammlungen festgestellt worden“, heißt es. „Gewaltbereite Kreise nutzten in den vergangenen Jahren die Veranstaltungen zum 1. Mai zur Begehung von Straftaten. Wir weisen Sie daher darauf hin, dass gewalttätige Handlungen einen Verstoß gegen geltende Gesetze darstellen“, wird der Adressat belehrt. „Die Polizei des Landes Berlin wird ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend derartige Gesetzesverstöße konsequent verfolgen.“ Das Schreiben endet mit einem Appell: „Falls Sie die Absicht haben, sich an den Veranstaltungen zum diesjährigen 1. Mai zu beteiligen, appellieren wir an Sie, dies friedlich zu tun. Mit freundlichen Grüßen.“

Ein Polizeisprecher sagte, dass die Briefe Teil des im letzten Jahr erstmals angewandten AHA-Konzeptes seien. AHA steht für „Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle“. Es sei „ein Versuch, Ruhe reinzukriegen“. Grund für den Griff in die Portokasse: „Die Umsetzung des Konzeptes ist im vergangenen Jahr bei weitem nicht erreicht worden.“ 1999 kam es auch mit dem Deeskalationskonzept zu den alljährlichen Auseinandersetzungen mit Demonstranten. Innensenator Eckart Werthebach (CDU), der trotz „Auswüchsen“ einzelner Polizisten von einem „aufgegangenen“ Konzept sprach, erklärte gestern in einem Zeitungsinterview, dass es „kein Demonstrationsrecht auf Krawall“ gebe. „Wer glaubt, seine Gewaltbereitschaft austoben oder unsere Polizei angeifen zu können, der wird einen freudlosen 1. Mai erleben.“

Die Antifaschistische Aktion Berlin, Mitveranstalter der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration, spricht von „Einschüchterungsbriefen“ und schickte prompt eine Antwort an den Polizeipräsidenten und die Bereitschaftspolizei, die im gleichen Duktus verfasst ist. „Nach öffentlichen Erkenntnissen sind Sie in der Vergangenheit als Verursacher eines gewalttätigen Verlaufs von Versammlungen festgestellt worden“, heißt es. „Gewalttätige Kreise der Polizei nutzten in den vergangenen Jahren die Veranstaltung am 1. Mai zur Begehung von Straftaten wie schwerer Körperverletzung an einem 14-Jährigen, Zerschlagen des Knüppels auf dem Kopf einer Frau, Vermummung von Zivilbeamten . . .“ Weiter heißt es: „Wir weisen Sie daher darauf hin, dass gewalttätige Handlungen einen Verstoß gegen geltende Gesetze darstellen, was in Ihrem Fall noch nie zu Konsequenzen geführt hat und sich daher Ihr Unrechtsbewusstsein nicht entwickeln konnte.“ Wie auch die Polizeischreiben endet der Brief mit einer Bitte: „Falls Sie die Absicht haben, sich am Rand von Veranstaltungen zum diesjährigen 1. Mai zu beteiligen, appellieren wir an Sie, zu Hause zu bleiben oder Ihren Frust auf dem Sportplatz auszutoben.“

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