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Zarte Signale der Annäherung

Zypern wird zur Nagelprobe für das neue Verhältnis zwischen Griechenlandund der Türkei. Athen will Ankara beim angepeilten EU-Beitritt beraten

ISTANBUL taz ■ „Theodoros Pangalos ist zurück. Pasok-Falken wieder in der Regierung.“ Aufmerksam wurde gestern in der Türkei die Kabinettsliste des mit knapper Mehrheit wieder gewählten griechischen Ministerpräsidenten Kostas Simitis registriert. Obwohl die griechische Regierung in den wichtigsten Positionen Kontinuität signalisiert, hat Simitis einige Pasok-Funktionäre ins Kabinett berufen, die für Irritationen in Ankara sorgen. Das gilt vor allem für Theodoros Pangalos. Pangalos, der jetzt Kulturminister wurde, ist der schärfste Kritiker eines Ausgleichs mit der Türkei. Er war bereits einmal Mitglied des Kabinetts von Simitis, und zwar als Außenminister bis März 1999. Pangalos musste damals zurücktreten, weil er hinter dem Rücken von Simitis Kurdenführer Abdullah Öcalan erst in Athen und dann in der griechischen Botschaft in Kenia versteckte. Erst als Pangalos für Georgios Papandreou Platz machen musste, kam der greichisch-türkische Dialog in Gang.

Wichtig ist deshalb vor allem, dass Papandreou Außenminister bleibt und mit seinem türkischen Kollegen Ismail Cem den Dialog fortsetzen kann. Dabei kommt Papandreou zugute, dass während des Wahlkampfes deutlich wurde, dass eine Mehrheit in Griechenland den Prozess der Aussöhnung mit dem türkischen Nachbarn unterstützt. Das wird auch in den nächsten Monaten notwendig sein, denn nach der emotionalen Annäherung im Anschluss an die Erdbeben in Izmit und Athen wird es jetzt langsam ernst. Im letzten Jahr haben die beiden Außenminister erst einmal darauf gesetzt, Vertrauen zu schaffen, bevor man sich schwierigen Fragen zuwendet. Die bislang unterschriebenen Abkommen über Kulturaustausch oder Umweltschutz berühren die brisanten Fragen nicht.

Die erste Bewährungsprobe für die Zusammenarbeit kommt nun auf Zypern. Am Wochenende wurde auf Nordzypern, das lediglich von der Türkei als eigener Staat anerkannt wird, gewählt. Rauf Denktasch bleibt wahrscheinlich Chef der türkischen Zyprioten. Ab Mitte Mai soll es in New York eine zweite Runde indirekter Gespräche zwischen den türkischen und griechischen Zyprioten geben. Nach Auffassung von UN-Generalsekretär Kofi Annan, des US-Außenministeriums und der EU soll diese den Durchbruch bringen. Eine Regelung auf Zypern aber wird es nur geben, wenn Athen und Ankara zustimmen.

Davon hängt ab, wie die EU-Beitrittsverhandlungen mit Zypern, aber auch mit der Türkei weitergehen. Während Griechenland darauf drängt, Zypern zur Not auch ohne die Zustimmung der türkischen Zyprioten zum EU-Vollmitglied zu machen, wollen diese am liebsten die Verhandlungen der EU mit Zypern und der Türkei synchronisieren. Wenn die Türkei erst einmal Mitglied der EU sei, lasse sich der Konflikt am leichtesten lösen.

Spannend wird es auch in der Ägäis. Der Streit um das jeweilige Hoheitsgebiet in diesem Teil des Mittelmeers hatte die beiden Länder in den letzten Jahren wiederholt an den Rand eines Krieges gebracht. In Helsinki setzte die griechische Regierung durch, dass die Türkei im Gegenzug für ihre Anerkennung als EU-Kandidat zustimmt, den Konflikt vor dem Europäischen Gerichtshof in Den Haag verhandeln zu lassen, wenn innerhalb von zwei Jahren keine bilaterale Lösung gefunden wird. Da die Griechen glauben, vor Gericht die besseren Karten zu haben, fürchtet die türkische Regierung, dass Athen die Verhandlungen verschleppt. Es gibt aber auch positive Entwicklungen. Erst kürzlich war eine griechische Delegation in Ankara, um ihre türkischen Partner im Umgang mit der EU-Kommision zu beraten, „da wir“, wie Papandreou sagte, diese „Erfahrung ja schon hinter uns haben“.

Wichtig sind aber auch die Wirtschaftskontakte. Seit 1999 die Politik die richtigen Signale setzte, vergeht kaum eine Woche, in der sich nicht griechisch-türkische Wirtschaftsdelegationen treffen und neue Investments beraten. Die Aussicht auf Gewinn war ja schon oft die beste Medizin gegen den Nationalismus.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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