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Erfundenes Geld machte Freunde

■ Prozess um erfundenes Millionenerbe ging glimpflich aus: Ein Freispruch und zwei Geldbußen / Motiv für Lügen unklar

Nach sechs Stunden Gerichtsverhandlung war der Besitzer des „Weser Utkiek“ vom Betrugsvorwurf freigesprochen. Mit den Lügen vom millionenschweren Erbe eines potentiellen Pächters sowie mit darauf aufbauenden geplatzten Geschäften von 1995 habe er nichts zu tun, befand das Amtsgericht. Gegen zwei Mitangeklagte, den Bremer Gastwirt Marcus Koppitsch, sowie den vermeintlichen Millionenerben Peter Tobies, wurde das Verfahren vorbehaltlich der Zahlung einer Geldbuße von 2.000 eingestellt. Beide gelten damit nicht als vorbestraft.

Noch zu Beginn der gestrigen Verhandlung hatte der Betrugsverdacht den 40-jährigen Hotelbesitzer Hans Holger Hagens sichtlich belastet. Ihm war vorgeworfen worden, mit den Mitangeklagten gemeinsame Sache gemacht und so versucht zu haben, sich zu bereichern. Der mutmaßliche Trick sollte darin bestanden haben, dass er selbst bei einem Hoteleinrichter Möbel im Wert von 180.000 Mark bestellte, diese aber dann nicht haben wollte, sondern stattdessen den Vertrag zwischen Möbelhersteller und den zwei Mitangeklagten vermittelte – die jedoch nie zahlten. Denn „das Duo Koppitsch und Tobies“, wie der Richter die Mitangeklagten nannte, hatte kein Geld. Der eine hatte sein erwartetes Millionenerbe frei erfunden. Der andere will das nicht gewußt haben. Auch Hagens hatte keine Ahnung – zumals das Duo verschiedentlich als Interessenten von Villen auftrat, wobei die millionenschweren Abschlüsse nie zustande kamen.

„Ich hatte doch selbst Schaden durch die Vorgänge“, wehrte sich Hagens also gegen den Verdacht, er habe die Möbel nach einem eingefädelten Coup günstig erstehen wollen. Schließlich habe er, nachdem die sogar notariell beglaubigte Lüge vom erwarteten Millionenerbe seines Pächters in spe aufgeflogen war, wieder am Anfang gestanden – ohne Geschäftspartner für den GVZ-nahen Hotelneubau und mit vielen Kosten. Vom Ansehensverlust, auf einen unseriösen Lügenbeutel hereingefallen zu sein, ganz zu schweigen. „Ich verstehe wirklich nicht, warum ich auf der Anklagebank sitze“, so Hagens.

Doch die Staatsanwaltschaft war erst Stunden später von dieser Darstellung so überzeugt, dass sie selbst auf Freispruch plädierte. Zuvor hatte sie in Hagens den einzigen möglichen Nutznießer einer Geschäftsverbindung gesehen, die ans A-berwitzige grenzte. Denn der erkorene Pächter des Hotels am Utkiek, jener vermeintliche Millionenerbe, hatte kein Geld, keine Erfahrung – und nach eigenem Bekunden auch kein Interesse am Hotelgewerbe. Trotzdem hatte er Unsummen in die Verbindung mit dem schon mehrfach gescheiterten Wirt Koppitsch gesteckt, der zugleich als Geschäftsführer von Tobies „Excelsior GmbH in Gründung“ auftrat. Das Millionenerbe im Rücken, die Zukunft als Hotelverwalter im Blick, habe er wenig Zweifel gehabt, dass der schmächtige Mann, den er als Stammgast aus seiner ehemaligen Kneipe „La Liberté“ kannte, wirklich erben würde. „Der hatte doch eine Goldcarte“, versicherte Koppitsch. „Der wollte mich, weil ich den Auftritt als Geschäftsmann mache, den er nicht kann.“ Der kleine, krebskranke Millionenerfinder dagegen sagte: „Er hat mich in diese Verträge gedrängt und gedroht ,sich umzubringen.“ Auch habe er nicht gewollt, dass die geliebte, runtergewirtschaftete Stammkneipe La Liberté schließen müsste. Auch Koppitsch sagte: „Ich wollte helfen.“ Es habe ein Gentleman-Agreement gegeben, den Kranken im Gegenzug für seinen Einsatz später zu pflegen.

ede

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