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Die Reform der Jura-Ausbildung droht zu scheitern

Justizminister halten an der Trennung von Studium und Referendariat fest. Konservative Fakultäten wollen keine Neuerungen

FREIBURG taz ■ Die geplante Reform der juristischen Ausbildung droht zu scheitern. Ursprünglich sollte das zweijährige Referendariat abgeschafft und die Praxisphase ins Studium integriert werden. Doch nachdem die Länder Angst vor der eigenen Courage bekamen, verordneten sie sich eine Auszeit. „Wir müssen nochmals in einen Diskussionsprozess eintreten, um die Mehrheit zu verbreitern“, so der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) zur taz.

Ausgangspunkt des Reformprojekts waren ursprünglich Überlegungen zu Einsparungen. Weil heute nur noch rund 5 Prozent der Juristen nach dem Studium beim Staat arbeiten, galt das juristische Referendariat als überholt. Immerhin eine Milliarde Mark jährlich geben die Länder für den juristischen Vorbereitungsdienst aus. Diskutiert wurde deshalb über eine Trennung des Referendariats für Anwälte einerseits und Staatsjuristen andererseits. Der Staat hätte nur noch letzteres finanziert.

Doch dann wählten die Justizminister im Frühjahr 1998 überraschend einen ganz anderen Weg: Das Referendariat soll ganz entfallen, die praktische Ausbildung ins Studium integriert werden. Damit wäre immerhin die seit dem letzten Jahrhundert geltende Zweiteilung der juristischen Ausbildung aufgehoben. Die neue Formel lautete: Sechs Semester Uni – zwei Semester Praxis – nochmals zwei Semester Uni – dann die Prüfung.

Ein ähnliches Modell hatten Reformuniversitäten wie Bielefeld und Hannover bereits in den Siebzigerjahren ausprobiert. Damals allerdings ging es um eine wirkliche Integration von Theorie und Praxis. Die praktischen Erfahrungen vor Gericht und bei anderen Stationen sollten im Studium reflektiert und die Theorie an der Praxis gemessen werden.

Heute dagegen verfolgt der Schritt zur Einphasen-Ausbildung ein ganz anderes Ziel. Die fast grundlegende Umgestaltung des Studiums soll eine neue Betreuungsrelation zwischen Professoren und Studierenden rechtfertigen.

Ein praxisnäheres Studium stößt auf Skepsis

Geplant ist eine Erhöhung des curricularen Normwertes von 1,7 auf 3,0. Für den Hochschulalltag heißt das, dass fast die Hälfte aller Studienplätze entfallen würde. Da aber die Ersparnisse aus dem Wegfall des Referendariats teilweise den Unis zugute kommen sollen, würden letztlich „nur“ ein Viertel der Studienplätze abgebaut.

Wie wenig ernst die „Integration“ der Praxis ins Studium genommen wird, zeigt der Schwenk der Justizminister. Weil die konservativen Jura-Fakultäten die Unterbrechung des Studiums durch ein Praxisjahr für „pädagogisch-didaktisch“ verfehlt halten, soll die Praxis nun einfach wieder ans Studium angehängt werden – wie früher. Eine Öffnungsklausel würde Ländern wie NRW, die die Integration ernst nehmen, immerhin noch einen anderen Aufbau erlauben.

Dieses Manöver hat aber nicht verhindert, dass die Mehrheiten für die Reform bröckeln. Waren zuerst 13 Länder für die Reform und nur drei dagegen, ist der aktuelle Stand – einige Landtagswahlen später – nur noch neun zu sieben. Immer mehr Justizminister wollen an der „traditionellen“ Trennung von Studium und Referendariat festhalten. Dabei verlaufen die Fronten quer zu den Parteilinien. Zwar sind die von Bayern angeführten Reformgegner fast alle im Unionslager zu Hause, unter den Befürwortern sind mit Baden-Württemberg und Sachsen aber auch CDU-geführte Länder.

Der endgültige Startschuss für die Reform hätte eigentlich Ende Mai bei der Justizminister-Konferenz in Potsdam fallen sollen. Dieser Zeitplan ist nun aber nicht mehr zu halten. Bei einem Treffen von Kultus- und Justizministern zog in der letzten Woche Stuttgarts Minister Ulrich Goll die Notbremse und verordnete den Ländern eine neue Diskussionsrunde. CHRISTIAN RATH

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