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Polizisten werden am 1. Mai observiert

Anwälte und Abgeordnete wollen als Demonstrationsbeobachter mögliche Übergriffe der Polizei dokumentieren

Die Polizei steht am 1.Mai unter Sonderbeobachtung. Gekennzeichnete Personen am Rande der revolutionären 1. Mai-Demonstration sollen eventuelle gewalttätige Übergriffe von Beamten auf den Aufzug dokumentieren und veröffentlichen.

Einer der „Demonstrationsbeobachter“ ist der Politikprofessor Wolf-Dieter Narr, der bereits 1981 für die „kritische Gegenöffentlichkeit“ am Rande einer Demo unterwegs war. „Seither habe ich gesehen, dass aus jeder Demonstration eine gewalttätige gemacht werden kann“, erklärt der Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie. Gerade die Berliner Polizei, so Narr, habe eine Vorliebe für Übergriffe und das Provozieren von Gegengewalt.

Ähnlich Erfahrungen machte auchWolfgang Kaleck, Mitglied im Bundesvorstand des Republikanischen Anwaltsvereins. Durch die Ausrüstung der Beamten und eine fehlende Kenntlichmachung mit Dienstnummern seien gewalttätige Polizisten im Nachhinein kaum zu identifizieren, kritisiert Kaleck. Die Ordnungshüter würden so zu „maskierten Straftätern, die ungestört agieren, weil sie in der Regel nicht erkannt werden können“.

Die Initiatoren, zu denen neben dem Komitee für Grundrechte und Demokratie auch der PDS-Abgeordnete Freke Over, die „Antifaschistische Aktion Berlin“ und die „Arbeitsgemeinschaft Gegen Polizeigewalt“ gehören, wollen mindestens 20 Beobachter zusammenbekommen. Eventuelle Polizeiübergriffe sollen von ihnen dokumentiert und später auch vor Gericht bezeugt werden. Meist scheitere eine Verurteilung von gewalttätigen Beamten nämlich auch an der fehlenden Aussagebereitschaft von Zeugen – aus Angst vor Gegenanzeigen der Polizisten.

Wenig Vertrauen haben die Polizeikritiker allerdings in das Deeskalationskonzept „Aufmerksamkeit, Hilfe, Appell“ (AHA). Bereits im vergangenen Jahr habe die Polizeiführung mit AHA eine Entspannung versucht, sei damit aber bei etlichen Beamten auf taube Ohren gestoßen.

Nach einem dem PDS-Mann Over zugespielten Mitschnitt des Polizeifunks haben sich am 1. Mai 1999 ganze Einsatzhundertschaften der Bereitschaftspolizei verselbstständigt. „Die schlagen alles zusammen“, empörten sich Kollegen im Polizeifunk. Die Bilanz: mehrere hundert Verletzte – darunter ein 14-Jähriger mit Kieferbruch, eine Frau mit Unterschenkelbruch, 12 verletzte Journalisten und eine unbekannte Zahl Zivilpolizisten, die von ihren uniformierten Kollegen Prügel kassierten. DIRK HEMPEL

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