marschierer und skater
: BARBARA DRIBBUSCH über Protestformen

Das Leben ist ein Ostermarsch

Am Anfang war das Wort: „Ostermarsch“. „Marsch“! Mit einem Marsch gegen Militär zu protestieren war mal eine raffinierte Sache. Marschieren gegen das Marschieren. Man hätte auch auf andere Strategien der paradoxen Intervention kommen können: etwa Funkenmariechen in ihren schicken Uniformen gegen die Militarisierung. Tschingderassabum, zwei links, zwei rechts, hoch die Stiefel. Eine disziplinierte Karnevalsgarde – und alles ist gesagt über das Militär.

Aber nein. Funkenmariechen und Ostermarschierer: Da liegen Welten zwischen, ganze Kulturen. Kultur, genau. Eigentlich geht es um Kultur. Auch beim „Ostermarsch“. Denn „Marsch“, das klingt nach Disziplin, Dumpfheit, Schweißfüßen. Und das an Ostern! Schon Goethe wusste um die teuflische Macht der Worte und bedichtete daher lieber den „Osterspaziergang“: „Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn“ (Faust I).

Spazierengehen, Sonne, Spaß. So holt man die Leute ab. Das erkennt inzwischen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), zwar nicht zu Ostern, aber immerhin zum 1. Mai. Zur Demonstration am Feiertag der Arbeit nämlich räumt der DGB erstmals eine Route frei für Inline-Skater. Elf Kilometer weit darf man auf seinen Carbonrollen quer durch die Berliner City rauschen, und das alles noch im Dienste der guten Sache. Super-Idee vom DeGeBe! Revolutionär, so ein Skate-Event mit voraussichtlich tausenden von TeilnehmerInnen einfach zur 1.Mai-Demo umzuwidmen.

Das bringt einen auf Gedanken. Warum ist eigentlich das erste Anbaden im Wannsee kein Protestschwimmen gegen die Wasserverschmutzung in der Nordsee? Warum sind die Rentnerkaffeefahrten nach Sylt keine Demonstrationen gegen die Ausgrenzung der Älteren aus dieser Jugendwahngesellschaft? Warum ist Ihr persönliches Ostereiersuchen morgen eigentlich keine Demonstration für Frieden, Freiheit und gegen Militär und Aufrüstung? Eben. Das Leben ist eine Demo, jeden Tag. Hat auch Goethe schon erkannt und beendet seinen „Osterspaziergang“ entsprechend: „Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“