: Die Frau mit der Walther PPK
„Ich habe gedacht: Wenn die das für ein Buch halten, dieses runtergerotzte Zeugs, dann ist irgendwas falsch“: Die Wetterfee von Pro 7 und N 24, Else Buschheuer, hat mit „Ruf! Mich! An!“ ein bewusst geschmackloses und ätzendes Stadtneurotiker-Buch geschrieben. Ein Porträtvon JENNI ZYLKA
Man hat in gewisser Weise Angst vor ihr. Oder besser davor, dass man etwas falsch machen könnte: Paprika, die Ich-Erzählerin und Protagonistin in Else Buschheuers Buch, hasst es nämlich, fremden Menschen die Hand zu geben, sie hasst es, fremde Menschen zu duzen, sie hasst überhaupt eine Menge an fremden Menschen. Sie trägt eine Walther PPK mit sich herum, und manchmal ballert sie auch damit los.
Doch dann sitzt Else Buschheuer ganz brav und perfekt geschminkt im Charlottenburger Literaturcafé und schüttelt ohne Murren die ausgestreckte Hand. „Eigentlich bin ich harmlos“, wird die 34-Jährige irgendwann im Laufe des Gesprächs sagen. Aber zuerst benimmt sie sich doch ein wenig Paprika-mäßig: Sie motzt über die quengelige Blage, die am Nebentisch laut Spielzeug auf den Boden feuert, immer und immer wieder. Die Walther PPK zieht sie allerdings nicht. Überhaupt ist sie sehr aufgeräumt, um dieses schöne Wort mal zu benutzen. Es scheint ja auch alles hervorragend zu laufen bei der ehemaligen „rasenden Else“.
Unter diesem Namen war die Leipzigerin früher Kolumnistin beim Super-Ossi, danach arbeitete sie als Redakteurin bei „Spiegel-TV“ und „Kriminalreporterin“ bei Ulrich Meyers „Alarm!“. Vor drei Jahren wurde sie endlich Wetterfee, erst bei n-tv, dann bei Pro 7 und N 24. Und jetzt wohnt und schreibt sie in Berlin, und muss zum Wetteransagen ins doofe München, das sie „hasst“.
Aber „die Wetterei“ bringt eben die Miete rein. „Ich habe jahrelang Verlagen meine Kurzgeschichten geschickt und einen Stapel Ablehnungen gekriegt.“ Auf Anraten ihrer Lektorin hat sie es dann mit einem längeren Text probiert, in der Ich-Form. „Ich dachte, das ist eigentlich gar kein Buch. Wenn die das für ein Buch halten, dieses runtergerotzte Zeug, dann ist irgendwas falsch.“
Buschheuers erster Roman „Ruf! Mich! An!“ ist teilweise geschmacklos. Bewusst geschmacklos zwar, nicht aus Versehen, weil man es nicht besser kann, aber dennoch geschmacklos. Die Heldin Paprika schleudert knappe, ätzende Verbal- und echte Attacken gegen alles und jeden. Sie hetzt gegen „Broiler“, gegen „Neger“, gegen Prominente, gegen die Medien, gegen Männer mit Kinngrübchen und gegen Bettlerinnen. Dazu gehört eine ganze Menge Taktlosigkeit und eine ganze Menge Selbstbewusstsein. Das hat die Protagonistin von Buschheuer genauso wie ihre Erfinderin, die „Wim“ sagt, wenn sie Wim Wenders meint, die darauf hinweist, dass manche sie mit Bret Easton Ellis vergleichen, und die am liebsten ein auf sie zugeschnittenes TV-Format moderieren würde, so eine Art „Cineastisches Quartett“.
Else Buschheuer wirkt, als ob sie genau wüsste, was sie tut. Als ob sie sich einfach dazu entschlossen hätte, ihre ganzen fiesen, amüsanten, grundgemeinen Gedanken herauszukotzen, ihre Stadtneurotiker-Allüren, die vielen ja nicht unbekannt sein dürften. „Meine Figuren sind aus Klischees gebaut“, sagt sie und widerspricht damit dem Vorwurf der Nestbeschmutzung, den sie oft zu hören kriegt: Sie, als Ostlerin . . . immer wieder gegen die „Broiler“, und überhaupt . . . kein Mitleid mit den Mitmenschen . . . Nö, hat sie nicht. Kümmert sie gar nicht.
Woher diese Attitüde kommt, kann man nur erahnen. Buschheuer gibt einen Hinweis: „Ich war mit 17 sehr, sehr krank“. Sie hatte eine Gehirnentzündung, war dem Tode nahe, zurückgeblieben ist eine Augenkrankheit, die ihr immer mal wieder Probleme macht. Danach habe sich ihre „Haltung zum Leben“ geändert. „Ich habe mir gedacht: Ich will mein Leben nicht vergeuden mit Dingen, die mich nicht interessieren.“
Ob das nur ein weiteres Klischee ist oder stimmt, heraus kam jedenfalls das Buch über die alles und jeden hassende und Galle verspritzende Werbeagenturchefin Paprika. Die Heldin kann manchmal urkomisch sein, wenn sie mit ihrem besten Freund das Spiel „Wer hat das gesagt?“ spielt. „Ich war jung und brauchte das Geld.“ „Verbrecher?“ „Falsch, Nutte!“ Sie ist sympathisch, wenn sie über ihre Leidenschaft Kino spricht, prima gemein in den spitzen Beschreibungen ihrer Mitmenschen und der eigenen Etepetete-Marotten.
Sie ist aber auch manchmal geradezu ermüdend oberflächlich. Dann spürt man genau, was Buschheuer mit „hingerotzt“ meint: Kapitelweise Hasslisten oder Titel aus „Bärbel Schäfer“ sind schlicht langweilig. Und unglaubwürdig bis lächerlich ist Buschheuer in den Beschreibungen der Sexszenen, von denen sie sagt: „Eigentlich sollte ja gar kein Sex in das Buch“, das passe nämlich nicht zu ihrer Protagonistin.
Aber die Agentin bat um eine Liebesgeschichte, und darum erlebt Paprika eine SM-Romanze mit einem komischen Unbekannten namens „Valmont“, die klingt, wie aus dem literarischen Teil der Super-Illu ausgeschnippelt, wenn es einen gäbe: „Langsam erwärmen die Vibrationen meine Möse, sie öffnet sich, wird prall wie eine fleischfressende Pflanze, die ihr Opfer anlockt, die höllenhungrig ist.“
Vielleicht ist es auch ein bisschen die relative Seltenheit, zu erleben, dass Frauen genauso klischeehaft über Sex schreiben können wie Männer. In einem Interview mit einem Münchner Magazin sagt sie über diese Stelle im Buch: „Alle schlagen zufällig Seite 128 auf. Neulich wurde ich vor versammelter Mannschaft von meinem Kollegen mit den launigen Worten geneckt: Ach übrigens, Kinder, wollt ihr wissen, wie es sich Else selber macht?“
Wenn Buschheuer aber nur eine Spur der Kaltschnäuzigkeit besitzt, die sie ihrer Heldin angedichtet hat, dann ist ihr das bestimmt schnurz.
Else Buschheuer: „Ruf! Mich! An!“. Diana Verlag, München 2000, 221 Seiten, 36 DM
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