: Seit Jahren im Visier der Rechten
■ Pünktlich wie ein Uhrwerk gab es auch dieses Jahr kurz nach „Führers Geburtstag“ einen Anschlag auf die Geschäftsstelle der antifaschistischen VVN/BdA in Bremen
In der Nacht zum Ostersamstag klirrten in der Bürgermeister-Deichmann-Straße 26 in Walle erneut die Fensterscheiben. Genau an dem Platz, an dem die Nazis nach der Machtergreifung Bücherverbrennungen durchführten, hat der Landesverband der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten“ (VVN/BdA) seinen Sitz. Zum wiederholten Mal wurde das Büro nun von einem Anschlag heimgesucht: Die rund 5.600 Mark teure Schaufens-terscheibe wurde eingeschlagen.
Verantwortlich sind aller Wahrscheinlichkeit nach erneut rechte Gruppen. „Die Anschläge finden in der Regel in zeitlicher Nähe zu Nazi-Gedenktagen statt“, sagt Raimund Gaebelein, Landesvorsitzender der Vereinigung. Am 20. April feiern die Rechten Hitlers Geburtstag. Im letzten Jahr wurde am 19. April das Schaufenster mit NPD-Plakaten zugekleistert. Und am 20. April 1998 trafen Farbbeutel die Außenwand des Gebäudes. „Die Polizei ermittelt dann höchstens wegen Sachbeschädigung. Anhaltspunkte für politisch motivierte Taten können sie angeblich nicht entdecken“, empört sich Gaebelein.
Auch im Vorfeld des letzten Jahrestages der Machtergreifung durch Hitler (30. Januar 1933) war das Büro attackiert worden: Zuerst wurde eine „Wolfsangel“ auf die Wand gesprüht. Die Rune, die ebenso verboten ist wie das Hakenkreuz, zierte früher die Dolche der SS. Am 20. Januar war dann die Schaufensterscheibe das erste Mal mit einem Gullydeckel eingeworfen worden, die Fahne der VVN/BdA wurde gestohlen.
1983 ist die VVN/BdA, die sich für das Gedenken an die Opfer des Naziterrors engagiert, in das Gebäude eingezogen. Seitdem habe es ungefähr ein Dutzend Anschläge gegeben, schätzt Gaebelein. Die Hälfte davon in den letzten zwei Jahren. Gefasst werden konnten die Täter nur ein einziges Mal, 1985: Im Rahmen der Prozesse gegen die Nazi-Truppe um Markus Privenau gab eine Mitangeklagte einen Anschlag auf das Bücherverbrennungs-Denkmal neben dem Büro zu, der ihr als Mutprobe von ihrer Gruppe aufgezwungen worden sei. Nachdem sie der Bewegung den Rücken gekehrt hatte, entschuldigte sich die Täterin.
Ziel der Rechten ist die VVN/BdA nicht nur wegen ihres Engagements für Opfer der Nazidiktatur, das sie vor allem durch Ausstellungen, Lesungen und in Artikeln in der Mitgliederzeitung „Der Bremer Antifaschist“ zum Ausdruck bringen. Politisch dürften viele VVN/BdA-Mitglieder mit den Ideen der Antifa sympatisieren. Gemeinsame Aktionen sind eher unwahrscheinlich: Das Durchschnittsalter der rund 100 Bremer Mitglieder schätzt Gaebelein auf 60 Jahre. Einige davon, darunter der 93-jährige Ehrenvorsitzende Willy Hundertmark, sind seit ihrer Jugend KPD-Anhänger. Christoph Dowe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen