: High Noon für de Hadeln
Berlinale-Chef Moritz de Hadeln soll ganz nebenbei im Urlaub die Kündigung erhalten haben. Sein Nachfolger könnte Dieter Kosslick heißen. Der führt bislang die Filmstiftung NRW und gilt als ausgefuchster Lobbyist. Die Branche staunt
von KATJA NICODEMUS und STEFFEN GRIMBERG
Bestätigt ist noch nichts, aber dementiert wird auch nicht. Also spricht einiges dafür, dass die vom Tagesspiegel in die Welt gesetzte Nachricht von der Kündigung des Berlinale-Chefs Moritz de Hadeln wahr ist. Als sein Nachfolger soll Dieter Kosslick, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW im Gespräch sein.
Im Mai 98 hatte de Hadeln gegenüber dem Kuratorium der Berliner Festspiele auf einer Verlängerung seines Vertrages um fünf Jahre bestanden. Eine Option ermöglicht allerdings die beidseitige Kündigung zum 30. April dieses Jahres und damit zur Berlinale 2001.
Für Forumsleiter Ulrich Gregor ist die Nachricht vom Putsch „vielleicht nur ein Gerücht, ich hege gewisse Zweifel“. Zugleich wurde in der Branche die Nachricht vom eventuellen Berlinale-Chef Kosslick mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Der NRW-Filmstiftungs-Mann gilt zwar als gewiefter Taktiker und sogar brillanter Filmpolitiker, der allerdings inhaltlich wenig mit Film am Hut hat. „Sollte Kosslick den Job machen, bräuchte er einen starken künstlerischen Leiter“, so ein Berliner Verleiher, der nicht zitiert werden möchte, „was aber angesichts seines One-Man-Managements eher unwahrscheinlich ist.“ Der von Kritikern als „perfekter Lobbyist“ und „Verwaltungshengst“ betitelte Kosslick könnte für die Berlinale zwar möglicherweise weitere private Finanzspritzen erschließen, als Mann der großen filmischen Visionen gilt er allerdings nicht. „In Sachen Branchen-Socialising und Nächte-Durchsaufen macht Kosslick keiner was vor. Nur einen Film von Anfang bis Ende zu erzählen, das bringt er nicht fertig“, lästert ein Insider. Ins Gespräch gebracht für den prestigeträchtigsten Job im deutschen Filmgeschäft hat sich Kosslick übrigens selbst, passenderweise schon auf der letzten Berlinale. Bei der Filmstiftung NRW in Düsseldorf hieß es gestern stoisch: „Kein Kommentar“.
De Hadeln war wegen seiner Präferenz für eher mittelklassiges amerikanisches Starkino und Versäumnisse im Bereich des Autorenfilms in den letzten Jahren immer wieder unter Beschuss geraten. Andererseits ist das Procedere der Ablösung geradezu skandalös, wenn es stimmt, dass de Hadeln, der den Job seit 21 Jahren macht, im Urlaub völlig unvorbereitet von seinem Rausschmiss erfuhr. Sie sei von nichts unterrichtet worden, so seine Pressesprecherin Frauke Greiner.
Ebenso überrascht zeigt sich Panorama-Chef Wieland Speck. „Wenn man bedenkt, wie wir den Umzug zum Potsdamer Platz in diesem Jahr sozusagen unter seinem Regenschirm hingekriegt haben“, so Speck, „dann wäre seine Kündigung ein schönes Beispiel dafür, wie man hier mit den Leuten umgeht.“
Intern gilt der Putsch als Intrige aus dem Hause Naumann. Mit prominenten Personalwechseln will sich der Staatsminister angeblich in Berlin profilieren. Die Berliner Kulturverwaltung schweigt sich jedenfalls weiter aus. Angeblich will sich de Hadeln Ende der Woche mit Kultursenator Stölzl treffen.
Sollte Kosslick tatsächlich demnächst vom Rhein an die Spree wechseln, dürften auch beim obersten regionalen Filmförderer die Herzen höher schlagen: Klaus Keil, Intendant des Filmboards Berlin-Brandenburg, gilt als bekennender Kosslick-Gegner, der sich auch schon mal weigert, mit seinem NRW-Pendant gemeinsam aufzutreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen