: Euro jetzt so billig wie nie
Der Euro fällt und fällt – und niemand will schuld dran sein: Der Kanzler sieht „glänzende“ Voraussetzungen für eine starke Währung, die Industrie dagegen mangelnde Reformfähigkeit
BERLIN taz/dpa ■ Der Kurs des Euro rutscht immer weiter nach unten. Gestern erreichte die Gemeinschaftswährung einen neuen Tiefstand: Die Europäische Zentralbank (EZB) ermittelte einen Wert von nur noch 0,9193 US-Dollar pro Euro. Damit kostet ein Dollar knapp 2,13 Mark – so viel wie seit den Achtzigerjahren nicht mehr. Im Dezember 1999 war der Euro erstmals unter die Dollarparität gefallen.
Der neuerliche Tiefstand motivierte nun auch Gerhard Schröder, sich zum Euro zu äußern: Das Rekordtief gebe keinen Grund zur Besorgnis, beruhigte der Kanzler. Die Wirtschaftsindikatoren der Euro-Zone seien „so glänzend“, dass Sorgen um den Binnenwert der Gemeinschaftswährung unbegründet seien – der Euro werde wieder steigen.
Auch Heiner Flassbeck, ehemaliger Staatssekretär im Finanzministerium, hält den Euro für unterbewertet. „Im Grunde gehört er ganz schnell aufgewertet, was man an unserem Exportboom unmittelbar ablesen kann“, sagt er im taz-Interview. Flassbeck rät von einer weiteren Zinserhöhung der EZB ab: Dies würde nicht nur die Finanzmärkte misstrauisch machen, sondern auch die Binnennachfrage dämpfen und am Ende „unsere schönen Arbeitsplatzhoffnungen zerstören“.
Bei der Einführung des Euro am 1. Januar letzten Jahres war er mit 1,19 Dollar bewertet worden. Damals hatten Euro-Befürworter gehofft, die Währung werde den Dollar bald schon als weltweite Leitwährung ablösen. Nun rechnen viele mit einem weiteren Kursverfall.
Über die Ursachen für die Schwäche gehen die Meinungen auseinander. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, bezeichnete die Euro-Schwäche als Ausdruck fehlenden Vertrauens der Märkte „in die Reformfähigkeit der drei wichtigsten Länder, Deutschland, Frankreich und Italien“. Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Investmentbank Merrill Lynch in Europa, macht den anhaltenden Boom in den USA verantwortlich. Mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 6 bis 7 Prozent könne Euro-Land nicht mithalten.
Joachim Scheide vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hält dagegen die Geldpolitik der EZB für zu locker. Angesichts der guten Konjunkturaussichten sollten die Währungshüter die Zinsen erhöhen – wenn auch nicht sofort unter dem Druck der Märkte. Heute tagt die EZB in Frankfurt. Die meisten Analysten rechnen mit einer Zinserhöhung. kk
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