: Gemütlich durch die Galaxis
Sonnenuntergänge, Sternbilder aller Länder und Zeiten, Raumsonden , Pulsare und „verlässliche Informationen über das Weltall“: Das Planetarium Hamburg wird 70 Jahre alt ■ Von Eberhard Spohd
Gemütlich ausgestreckt sitzt man da, den Blick nach oben gewandt. Die Sonne geht unter, die Silhouette der Stadt hebt sich dunkel vor dem dämmerigen Himmel ab. Die ersten Sterne erscheinen. Es wird Nacht. Alles könnte so schön sein, wenn da nicht plötzlich dieses unheimliche Wesen aus der Tiefe auftauchen würde. Auf vier dürren Beinen wirkt der massige, hantelförmige Körper mit den beiden Köpfen grotesk wie der eines Wesens von einem fremden Stern. Mit hallender Simme beginnt es zu sprechen: „Herzlich willkommen im Planetarium Hamburg.“
Am Sonntag vor siebzig Jahren wurde das Gerät, mit dem die Gestirne so täuschend natürlich in eine Kuppel projiziert werden können, erstmals in Betrieb genommen. Bereits fünf Jahre zuvor hatte der Hamburger Senat beschlossen, ein Planetarium der Firma Zeiss anzukaufen. Wegen der Weltwirtschaftskrise 1929 wurde der Bau eines eigenständigen Gebäudes aber aus Kostengründen verworfen. Statt dessen beschlossen die Senatoren, den Projektor in den Wasserturm im Stadtpark einzubauen, der weitgehend seine Bedeutung verloren hatte und nur noch als Reservespeicher diente.
Das massige Gebäude war 1915 unter der Regie des Stadtbaumeisters Fritz Schumacher nach den Plänen des Dresdner Architekten Oscar Menzel 1915 fertiggestellt worden. Seine ursprüngliche Aufgabe, einen Wasserbehälter mit rund 3000 Kubikmetern Inhalt zu stemmen, nutzt der Backsteinbau bis heute zur Entfaltung seines bedeutungsvollen Pathos', ist er doch der Endpunkt der Hauptblickachse des Stadtparks. Schwer vorstellbar, dass sich in diesem trutzigen Bau eine der meistbesuchten Volksbildungseinrichtungen Hamburgs befindet.
Jährlich kommen rund 130.000 Zuschauer zu den Vorträgen im größten Planetarium Europas. Sein Kernstück ist das Planetariumsgerät, das den Sternenhimmel auf die Innenseite der Kuppel projiziert. Die Sternbilder aller Länder und Zeiten, die Bewegungen der Gestirne im Tages- oder Jahreslauf, aber auch Raumfahrteffekte können in Zeitraffer fließend dargestellt werden. Hunderte von Zusatzgeräten stehen zur Verfügung, um die Vorstellungen mit Planetendarstellungen, Galaxien, Pulsaren, Raumsonden, Panoramen, Nordlichtern oder Wolkenformationen zu bereichern.
Oft bedient Erich Übelacker persönlich die Anlage. Dann steht der hauptamtliche Leiter des Planetariums an seinem Schaltpult, um den großen, um mehrere Achsen schwenkbaren Projektur zu dirigieren wie Commander McLaine sein Raumschiff Orion. Der 64-Jährige kennt sich mit diesen Geräten aus wie kaum ein anderer: Bevor er 1975 die Aufgabe in Hamburg übernahm, war der studierte Astrophysiker Leiter der Planetariumsabteilung bei der Firma Zeiss in Oberkochen und wirkte maßgeblich bei der Planung, Aufstellung und Programmgestaltung von Großplanetarien in aller Welt mit.
Inzwischen ist Übelacker aber eher als Mr. Astronomie bekannt. Unzählige Veröffentlichungen und Auftritte als Radio- oder Fernsehmoderator machten ihn weit über die Grenzen Hamburgs hinaus bekannt. Mit seinen populärwissenschaftlichen Vorträgen oder seinen inzwischen acht Bänden in der bekannten Buchreihe „Was ist was“ hat er in breiten Kreisen das Interesse an der Astronomie geweckt. Am 22. Februar wurde Übelacker für seine Verdienste vom Senat mit dem Ehrentitel Professor ausgezeichnet.
Eine Ehre, die ihm fast zu viel ist. Schließlich möchte er nicht einmal den 70. Geburtstag seines Hauses feiern: „Den 50. kann man feiern oder den 75., aber um den 70. kümmern wir uns nicht.“ Diese Bescheidenheit ist durchaus Programm. So wird das Planetarium außer in einigen U-Bahn-Zügen überhaupt nicht beworben. Das sei auch nicht nötig, mehr Besucher als zur Zeit würden die Kapazität des Hauses übersteigen.
„Außerdem“, darauf legt Übelacker wert, „refinanzieren wir uns zu 50 Prozent über unsere Einnahmen.“ Die Quote ist für eine Bildungseinrichtung sehr gut und die Kulturbehörde, der das Planetarium unterstellt ist, dürfte zufrieden sein. Was das Haus für die Volksbildung leiste, so Übelacker, sei auch nicht zu unterschätzen, schließlich „bekommt man nirgends sonst so verlässliche Informationen über das faszinierende Weltall wie bei uns“.
Im Jahre 2002 soll im alten Wasserturm ein neuer Projektor eingebaut werden, der vierte in der Geschichte der Einrichtung. Erich Übelacker wird dann bereits in Pension sein, aber, so steht zu vermuten, doch hin und wieder die Regler verschieben, wenn die Sonne über Hamburg untergeht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen