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Der Kampf geht weiter

Junge Regisseure romantisieren die RAF und machen aus dem Mythos gute Filme: „Das Phantom“ (20.15 Uhr, Pro 7) deutet den „bewaffneten Widerstand“ als spannenden Thrillervon KLAUDIA BRUNST

Man könnte die Geschichte so erzählen: Junger Polizist verliert seinen besten Freund in einem mysteriösen Schusswechsel mit Drogendealern und gerät unversehens unter Verdacht, die Tat selbst geplant zu haben. Als Polizistenmörder von den eigenen Kollegen zur Fahndung ausgeschrieben, versucht er seine Ehre und sein Leben zu retten. Dabei wird schnell klar, dass seine Feinde im Polizeipräsidium sitzen ...

Derlei Filme haben wir schon oft gesehen, und gerade der Spielfilmsender Pro 7 gibt sich in solchen Fällen immer besondere Mühe, den Thrill auf hohem Niveau zu halten.

Man könnte die Geschichte aber auch so erzählen: Junger Polizist gerät bei einer Routineermittlung zwischen die Fronten einer mafiösen Exekution durch die Polizei, bei der sein Freund und Kollege stirbt, und wird nun selbst als gefährlicher Mitwisser zum Abschuss freigegeben. Wie sich herausstellt, war der Hingerichtete gar kein Drogendealer, sondern ein gesuchter RAF-Terrorist. Und seine heimtückischen Mörder sitzen im Bundeskriminalamt: Denn längst bekämpft der Staat nicht mehr den Terrorismus, sondern ist selbst zum Terroristen geworden. Unter dem Label der so genannten dritten Generation werden RAF-Attentate simuliert, um auf diese Weise unbequeme Staatsdiener zu liquidieren ...

Solche Geschichten sah man im Fernsehen bisher kaum. Nicht in den öffentlich-rechtlichen Programmen, in denen die 68er auf dem Marsch durch die Institutionen längst ihren sicheren Rastplatz gefunden haben. Und erst erst recht nicht bei einem Privatsender wie Pro 7. Die ästhetische Deutungshoheit über den politisch brisanten „Baader-Meinhof-Komplex“ lag ohnehin jahrzehntelang außerhalb der Fernsehwelt.

Es waren vor allem Kinofilmer – oftmals einstige politische Weggefährten der RAF-Gründergeneration – die sich mit der RAF auseinander setzten, indem sie den daraus erwachsenden Überwachungsstaat anprangerten. Zwar wurden Filme wie die Gemeinschaftsproduktion „Deutschland im Herbst“, Volker Schlöndorffs „Die Ehre der Katharina Blum“ (nach dem Roman von Heinrich Böll), Margarethe von Trottas „Bleierne Zeit“ oder Stefan Austs „Stammheim“ später auch im Fernsehen ausgestrahlt, aber erst mit Heinrich Breloers Doku-Drama „Todesspiel“ erhob die ARD selbst ernstlich Anspruch auf die fiktionale Aufarbeitung des schwierigen Themenkomplexes.

Nun also rennt ein atemraubend dicht spielender Jürgen Vogel um sein Leben – immer auf der Flucht vor dem eigenen Staat. Interessanterweise bedient sich Dennis Gansels brillant fotografierter Polit-Thriller „Das Phantom“ völlig ungebrochen jener alten Verschwörungsfantasie, die in linken Unterstützerkreisen so lange en vogue war, um die Truppenmoral aufrechtzuerhalten. Dem jungen Gansel – der Filmhochschulabsolvent und bisherige Werbefilmer ist Jahrgang 1973 – dient diese Verfolgungsfantasie freilich nur dazu, fantastische Verfolgungsjagden zu inszenieren. Nach allen Regeln der filmischen Erzählkunst entwirft er einen äußerst spannenden Krimi.

Dass der Staat im Kern korrupt ist und in seinen Allmachtsfantasien auch über Leichen geht, ist hier keine Frage mehr, sondern Initiation der Handlung. Alles legendentaugliche Material, das dem Autor in die Quere kommt, wird zur Ausschmückung seiner Geschichte herangezogen: Stammheim, das Celler Loch, Bad Kleinen – im „Phantom“ wird unter Inanspruchnahme historischer Tatsachen völlig frei fabuliert.

Hier ist nun also wirklich die „dritte Generation“ am Werke. Nach den zurückgebliebenen Gevattern wie Heinrich Breloer oder Stefan Aust und den politisch sensibilisierten Epigonen mit ihren am Staat leise zweifelnden Dokumentationen beschreiten die Kinder der 68er nun den nächsten Schritt zur moralischen Amnestie: Sie romantisieren den Topos „Terrorismus“, ganz so wie sie es in den „James Bond“-Filmen gelernt haben. Ob CIA, BKA, Mossad oder die Klingonen – letztlich ist ihnen jede Vereinigung recht, um daraus gute Filme zu machen.

Dass der Ex-Terroristin Marga Schöller bei „Beckmann“ nun sogar ein öffentlich-rechtliches Forum für ihre Selbstdarstellung geboten wird und sie über ihre politische Vergangenheit sprechen darf, ohne je ernstlich in den moralischen Kotau („Bereuen Sie Ihre Taten?“) gezwungen zu werden, beunruhigt bestenfalls noch reflexhaft die ARD-Oberen. In Wahrheit schlägt das Imperium mit solchen Auftritten zurück: Der „bewaffnete Kampf“ ist zur Vermarktung freigegeben.

Hinweis:Die ästhetische Deutungshoheit über den„Baader-Meinhof-Komplex“ lag jahrzehntelang außerhalb der Fernsehwelt

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