: Beratung über Lust und Liebe
Selbsthilfeinitiative unterstützt Behinderte beim Thema Sex und vermittelt entsprechende Dienstleistungen
Rampen für Rollstuhlfahrer kann man fordern, viel schwerer aber Lust und Liebe. Bewusstsein für die Frage „Behinderung und Sexualität“ sowohl bei den Betroffenen als auch in der Öffentlichkeit will die Initiative Sexybilities entwickeln. Auf einem Fest im Kreuzberger SO 36 stellte sich gestern das neue Projekt vor.
Ab sofort bietet Sexybilities Sexualberatung von und für Behinderte. „Die Öffentlichkeit ist heute in einem Maße sexualisiert wie noch nie“, sagt Matthias Vernaldi, Hauptinitiator von Sexybilities. Aber dabei stehe allein „der makellose Körper“ im Vordergrund. „Das ist ein Problem für alle, vor allem aber Behinderte.“ Sie würden meist als sexuelle Neutren wahrgenommen, als netter Kumpel. Aber mehr nicht.
Die Probleme der Behinderten sind vielfältig: Querschnittsgelähmte haben mit Sensibilitätsstörungen zu kämpfen, die sie in ihrer Sexualität behindern. Menschen, die vor ihrem Unfall ein ganz normales Leben führten, müssen danach ihre Sexualität neu definieren, „jenseits von Genitalien- und Orgasmusfixiertheit“, wie Vernaldi es nennt. Die bereits existierenden allgemeinen Beratungsstellen seien mit dem Problem der Sexualität von Behinderten oft überfordert.
Für die Zukunft plant die Initiative, auch Sexdienstleistungen zu vermitteln. Auf Anfrage sollen dann Telefonnummern von Prostituierten weitergegeben werden, die qualifiziert mit Behinderten umgehen.
Träger ist die Arbeitsgemeinschaft für selbstbestimmtes Leben schwerstbehinderter Menschen e.V. (ASL). Betroffene können sich anonym am Telefon beraten lassen, aber auch im persönlichen Gespräch beim ASL oder zu Hause. Finanziell soll sich das Projekt selbst tragen. Die Beratung ist daher nicht kostenlos, der Preis steht aber noch nicht fest.
Drei BeraterInnen, alle selbst körperbehindert, stehen für Gespräche zur Verfügung: zwei Männer und eine Frau mit langjährigen Erfahrungen in Sozialarbeit und Psychologie. Einer der Berater ist Vernaldi. Bisher organisierte Sexybilities schon eine Stammtischrunde zum Thema Behinderung und Sexualität. Außerdem will die Initiative mit Künstlern zusammenarbeiten. Auf dem gestrigen Fest war eine Ausstellung von Aktfotos der behinderten Künstlerin Liane Krüger zu sehen. Die Fotos stellen den behinderten Körper nicht in den direkten Mittelpunkt, sondern zeigen ihn als einen selbstverständlichen Teil des Gesamtbildes. GRIT FRÖHLICH
Infos bei Sexybilities, Telefon: 68 08 05 76
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