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Sparen oder Ausgeben

Angesichts des neuen Reichtums des Staates sind sich auch kritische Ökonomen nicht mehr einig: Was tun mit den hundert Milliarden Mark aus dem Verkauf der Mobilfunklizenzen?

von HANNES KOCH

Die letzten Aufrechten – von diesem Ruf lebt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. In einer Zeit, da die anderen wichtigen Ökonomie-Institute des Landes auf Privatisieren, Flexibilisieren und Gewinne-Steigern setzen, haben die Berliner Forscher bislang oft an die Beschäftigten gedacht. Ein paar mehr Schulden sollte der Staat ruhig machen dürfen, um ein paar neue Jobs schaffen ... Damit scheint nicht zusammenzupassen, was DIW-Ökonom Dieter Vesper nun empfiehlt. „Natürlich Konsolidieren“, ruft er ins Telefon. Sprich: Die zu erwartenden 100 Milliarden Mark solle die Bundesregierung im Wesentlichen dafür ausgeben, alte Schulden zurückzuzahlen – nicht für neue Jobs. So sieht das auch Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD). Demnächst könnten glückliche Zeiten zurückkehren, die seit Mitte der 60er-Jahre vergangen sind: Der Staat schwimmt im Geld. Die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation versteigert bald sechs Lizenzen für die neuen, ultraschnellen Handy-Netze. Die Konzerne wie Deutsche Telekom, Mannesmann, E-Plus und Viag sind bereit, für jede Lizenz mehr als 15 Milliarden Mark zu zahlen.

Die ungewohnte Situation bringt auch die Reihen der kritischen Wirtschaftswissenschaft durcheinander, die früher immer recht genau und übereinstimmend wussten, was die CDU falsch machte. Während DIW-Forscher Vesper für Schuldentilgung plädiert, verlangt der linke Bremer Ökonom Rudolf Hickel, das Geld auszugeben, und zwar für ein „Zukunftsinvestitions-Programm“. Ein solches Programm sowie Steuererleichterungen, wie die CDU sie fordert, hält Vesper für falsch. „Die Aussicht auf drei Prozent Wirtschaftswachstum reicht erst einmal.“ Wenn der Staat die Wirtschaft jetzt noch mehr anzukurbeln versuche, falle der zusätzliche Erfolg möglicherweise gering aus.

Demgegenüber freut sich Hickel, dass „der Staat jetzt endlich mal Geld ausgeben kann, ohne Schulden machen zu müssen“. Die Ökosteuerreform der rot-grünen Regierung hält er für eine „Katastrophe“, denn das Geld fließe nur in die Reduzierung der Rentenbeiträge, nicht aber in zukunftsgerichtete, beschäftigungswirksame Investitionen. Gegen den „Schuldenabbau-Wahn“ auch der Grünen beschwört der Bremer Alternativ-Ökonom „den enormen Impuls“ für neue Jobs, den 100 Milliarden staatlich verteilter Mark mit sich bringen würden. Als Beispiele für notwendige ökologische Investitionen nennt Hickel das teils miserable Streckennetz der Bahn. DIW-Mitarbeiter Dieter Vesper aber will dem Land nur eine Ausnahme gönnen: 5 der 100 Milliarden könnte Rot-Grün ruhig in ein Sonderprogramm stecken, um zum Beispiel moderne Ausbildungsplätze zu finanzieren und den Schulen Computer zu kaufen. Mit vollen Händen à la Hickel wäre dagegen einiges möglich, was schon immer unrealistisch erschien: die Einführung einer Grundsicherung, wie von dem Agitprop-Philosophen Pierre Bourdieu gefordert, die die magere Sozialhilfe ersetzen könnte.

Die Differenzen zwischen den kritischen Ökonomen rühren auch daher, dass sie sich uneinig sind, wie die Lage einzuschätzen ist. Vesper meint, dass es aufwärts geht. Demnach beginnen jetzt möglicherweise die sieben fetten Jahre, in denen man für die sieben mageren vorsorgen muss. Vesper will nicht noch einmal zu derart falsch verstandenem Keynesianismus raten, wie ihn die SPD-Regierungen in den 70er-Jahren praktizierten: immer Schulden machen, nie zurückzahlen. Ganz anders Rudolf Hickel: Für ihn steckt das Land noch in der Krise. „Die Konjunktur ist noch zu labil“, sagt er. Weiterer Anschub sei notwendig, damit das Wachstum auch tatsächlich in neue Arbeitsplätze münde.

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