piwik no script img

Und alles im Namen der Ehre?

Handgranaten-Anschlag auf Promi-Disco „J's“: Polizei nimmt einen Tatverdächtigen fest und präsentiert ein dürftiges Motiv  ■ Von Kai von Appen

Der heimtückische Handgranatenanschlag in der VIP-Lounge der Promi-Diso „J's“ im Bunker auf dem Heiligengeistfeld scheint geklärt, wenn auch nicht aufgeklärt zu sein. Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) und das Mobile Einsatzkommando (MEK) haben am Samstagabend den 28jährigen Günyet D. als mutmaßlichen Täter überwältigt und verhaftet. Nach Angaben des LKAs macht der Beschuldigte, gegen den gestern Mittag Haftbefehl wegen Mordversuchs erlassen wurde, derzeit „keine Angaben“. Das LKA geht von einem „persönlichen Racheakt“ aus.

Die Polizei zeigte sich gestern von sich selbst überrascht: „Der rasche Fahndungserfolg ist der gelassenen und professionellen Arbeit der Ermittler zu verdanken“, behauptete Polizeipräsident Justus Woydt. Die LKA-FahnderInnen hatten zunächst – trotz der Hysterie diverser Hamburger Medien – abgesehen von einem vagen Fahndungsaufruf weitgehend im Verborgenen ermittelt. „Den ersten ernsthaften Tipp haben wir am Dienstag bekommen“, berichtete Fahnder Bernd Friedrich. Beim Sturm der Wohnung von Günyet D. in Hamm hätten sie aber niemanden angetroffen.

Als die Polizei Opfern und Zeugen jedoch in der Wohnung sichergestellte Fotos von D. präsentierten, so Friedrich, „verzeichneten wir 100-prozentige Anerkennung“. Die „J's“-BesucherInnen wollen in D., der wegen Drogendelikten der Polizei bekannt ist, den Mann wieder erkannt haben, der am Samstag morgen gegen drei Uhr eine jugos-lawische Splitterhandgranate vom Typ M 75 in den Polstern der VIP-Sitzecke versteckt und gezündet hatte. Bei der Detonation der Granate, die aus einer Kunststoffhülle und 2500 Bleikugeln besteht, wurden neun Gäste zum Teil lebensgefährlich verletzt. Minuten zuvor hatten noch Promies wie Dieter Bohlen, Heiner Lauterbach, Till Schweiger und Heinz Hoenig mit dem dubiosen Partykönig Michael Ammer in dem VIP-Raum gefeiert.

Am Samstagmittag erspähten nun LKA-Zielfahnder Günyet D. in Lurup. Kurz bevor das MEK die Wohnung in der Spreestraße stürmen wollte, verließ er das Haus und wurde vom MEK überwältigt. Als Motiv schließt die Polizei einen Promi-Anschlag, einen Bandenkrieg oder Schutzgelderpressung aus. Stattdessen vermutet sie einen „persönlichen Hintergrund“. So soll es eine Woche zuvor in der Sitzecke zu einer Schlägerei gekommen sein, bei der ein Türke unterlegen sei. D. habe, obgleich an der Fehde nicht beteiligt, die „verletzte Ehre“ wieder herstellen wollen. Wer der unterlegene Kontrahent war, möchte das LKA nicht sagen, dass er beim Anschlag im „J's“ anwesend war, werde „vermutet“. Woydt: „Wir stehen erst am Anfang der Ermittlungen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen