: Zocken auf dem Parkplatz
■ Das Casino Bremen wirbt vor Einkaufszentren um neue Kunden, die allerdings noch Etikette lernen müssen / Wer spielt, entlastet den gebeutelten Landeshaushalt
Robert de Niro rastet in „Jackie Brown“ einfach aus. Ohne viel Federlesens knallt er Bridget Fonda einfach über den Haufen, mit der er eben noch einen Quickie geschoben hatte. Das liegt nicht nur daran, dass es für beide um viel Geld geht, sondern auch an der Umgebung: Dem trostlosen Parkplatz eines Einkaufszentrums. Die sind eigentlich immer trostlos und da kann man auch schon mal die Nerven verlieren. Das Einkaufszentrum selbst kommt dagegen schon fast harmlos daher.
Und da macht das Huchtinger Roland-Center keine Ausnahme. Trotzdem aber hat sich hier das Casino Bremen gerade den Parkplatz für eine Marketing-Aktion ausgesucht: Auf einem Casino-Truck können Einkaufsgestresste derzeit bei einer Partie Roulette ausspannen oder den Elektro-Banditen am Arm ziehen. Um Geld geht es dabei nicht – das ist auf Parkplätzen ja auch erwiesenermaßen gefährlich. Ganz ohne eigenen Einsatz können Glücksspiel-Neulinge Gratis-Jetons riskieren. Wer gewinnt, bekommt vom Croupier neckische Preise wie Casino-Feuerzeuge, -Schlüsselanhänger oder -Freikarten. Wer mitmacht, spart fünf Mark Eintritt in den heiligen Hallen in der Böttcherstraße – und kann dort später mal, wenn's auf dem Rolandparkplatz Spaß gemacht hat, echtes Geld setzen, gewinnen und verlieren.
Aber dafür müssten sich die Spielkandidaten vorher noch ein wenig in Schale werfen: Nach wie vor gilt nämlich im Casino eine strikte Kleiderordnung. Ohne Schlips und Jackett geht nichts. In ihrer Freizeitkleidung würden die Neugierigen auf dem Casino-Truck keinen Einlass in die „echte“ Spielbank finden. Die meisten haben auch noch nie vorher am Roulettetisch gestanden – außer zu Hause.
Eine junge Frau in Capri-Hosen gewinnt drei Casino-Golfbälle und ist sichtlich irritiert: „Na ja, vielleicht kann mein Nachbar die gebrauchen, der spielt Golf“, sagt sie. Ein rüstiger Mittsechziger hat zwar nicht gewonnen, zieht aber dennoch mit einer vom Croupier geschenkten Casino-Schirmmütze von dannen. „Ich bin eigentlich nur auf der Verliererseite“, sagt er, „hab' noch nie im Lotto gewonnen und nur so ,ne Frau – keine junge, keine hübsche“ und weist dabei auf seine gepflegte, gleichaltrige Gattin. Vielleicht nicht ganz die richtige Zielgruppe, um „Schwellenangst vor dem Casino abzubauen“.
Nur ein älterer Herr mit Sonnenbrille und ergrauter Brustkrause kennt sich aus. Im Bremer Casino war er auch noch nie. Aber er besucht regelmäßig die noble Spielbank im Jagdhaus Eiden. Er hat schon mal „300 Mark gewonnen“. Und verloren? „Viel mehr“, sagt er nur, „aber am Ende gewinnt doch immer die Bank“.
Das ist aber auch nicht so schlimm: Das Casino Bremen führt immerhin 80 Prozent seiner Einnahmen an das Land ab – im vergangenen Jahr rund 40 Millionen Mark. Die Hälfte davon fließt an die „Stiftung Wohnliche Stadt“, die damit Dinge wie neues Rathaus-Linoleum finanziert. Aber auch die letzten 20 Prozent sind nicht vergebens verspielt: Das Casino Bremen gehört der WestSpiel Casinos, einer Tochter der West LB.
Bremens Zocker unterstützen damit also mittelbar die Flüge notleidender nordrhein-westfälischer Landespolitiker. Nur ihr Ex-Chef Bruder Johannes pendelt inzwischen im eigenen Dienst-Jet nach Berlin und ist nicht mehr auf Hilfe von Bremens Roulette-Spielern angewiesen. not
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen