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Ozon vergiftet Koalitionsklima

Auch wenn sie nicht mehr rechtzeitig kommt, die Sommersmogverordnung entzweit die rot und grün geführten Ministerien. Ein lauer Kompromiss würde allerdings den ozonsensiblen Menschen nicht viel nützen

aus Berlin PETER MICHAEL SCHNEIDER

Obwohl es die Regierung verpasst hat, rechtzeitig ihre Sommersmogverordnung fertig zu stellen, versucht sie weiter eine Regelung zu finden. Heute treffen sich Staatssekretäre aus den Ministerien für Umwelt, Verkehr, Wirtschaft und Gesundheit. Doch die Meinungsunterschiede machen eine schnelle Einigung unwahrscheinlich. Morgen kommen die Regierungsfraktionen zusammen. Ulrike Mehl, Umweltsprecherin der SPD-Fraktion, rechnet nicht vor Juni mit einem Fraktionsbeschluss.

Die Grünen wollen drohende Ozonspitzenwerte unter anderem mit Tempolimits und Fahrverboten bekämpfen. Diese Sofortmaßnahmen gehen Verkehrsminister Reinhard Klimmt und Wirtschaftsminister Werner Müller zu weit. Unterstützung bekommen die Minister von Christdemokraten und Liberalen, die insbesondere ein Tempolimit ablehnen. „Damit kann man die Ozonkonzentrationen nur um Beträge reduzieren, die im Bereich der Messungenauigkeit liegen“, sagt Birgit Homburger, Umweltsprecherin der FDP. Wie scharf das Umweltministerium Fahrverbote und Tempolimits in der neuen Verordnung umsetzten möchte, war gestern nicht zu erfahren.

Das Umweltbundesamt (Uba) hält nach wie vor bei hohen Ozonwerten eine Kombination von Tempolimit und Fahrverbot für nötig. Ziel ist es, die Stickoxide und Kohlenwasserstoffe zu reduzieren – die Stoffe, aus denen sich dann unter starkem Sonnenschein Ozon bildet.

Das bodennahe Ozon kommt aus drei Bereichen: Ein Drittel entsteht auf natürliche Weise in Böden und dampft aus Tannenwäldern. Die restlichen zwei Drittel stammen aus menschlichen Quellen: Das eine Drittel weht aus den Nachbarländern herbei. Das letzte Drittel entsteht in Deutschland. Eine Hälfte davon stammt aus industriellen Prozessen, entweder durch Lösemittelausstoß in der Chemie oder von Farben. Die andere Hälfte stammt aus dem Verkehr. Das macht deutlich, dass Tempolimits und Fahrverbote den Sommersmog nur begrenzt eindämmen können. „Das Tempolimit allein bringt um die zwei bis vier Prozent“, sagt Dieter Jost, Leiter der Abteilung Luft im Uba. „Fahrverbote und Tempolimits zusammen reduzieren die Ozonbelastung um bis zu 12 Prozent.“ Eine weitere Erleichterung brächte ein Verbot für motorisierte Geräte wie Rasenmäher an solchen Tagen; und die Eindämmung der Verwendung von Lösemitteln in Druckereien und Lackierereien, wogegen das Wirtschaftsministerium opponiert.

„Auch wenn die Maßnahmen einzeln gesehen nur kleine Anteile am Erfolg haben“, sagt der grüne Abgeordnete Winfried Herrman. „Sommersmog lässt sich nur mit einer Reihe von Maßnahmen bekämpfen.“ Das sieht auch Jost so. Doch damit bleibt das Problem für Umweltminister Jürgen Trittin bestehen. Ein großräumiges Fahrverbot für Autos ohne geregelten Kat ist schwer durchzusetzen. Das Tempolimit, das noch am leichtesten einzuführen wäre, bringt allein zu wenig.

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