: Hartmetaller gegen Internetfans
Bisher hat vor allem die Musikindustrie Jagd auf MP3-Piraten gemacht. Jetzt ziehen auch Musiker selbst vor Gericht
von THOMAS KALLWEIT
Der Marsch aus dem Cyberspace zum Gericht ist sehr real. Nicht nur die Musikindustrie greift immer härter durch aus Angst um Millionensummen, die ihr im Internet entgehen. Auch die großen Softwarehersteller beklagen Einbußen in virtueller Höhe durch gehackte, illegal online vertriebene Software: „Anti-Piracy“-Beauftragte und Onlineanwälte haben Hochkonjunktur. Vorreiter ist die Recording Industry Association of America (RIAA). Mit der Heavy- und SpeedMetal-Band „Metallica“ treten jetzt aber zum ersten Mal auch Musiker und Interpreten selbst als Kläger auf – Seite an Seite mit der RIAA.
Die Band aus San Francisco verklagt damit ihre eigenen Fans. Und die noch recht junge MP3-Community „Napster“ (www.napster.com) gleich mit, deren 19-jähriger Gründer Shawn Fanning behauptet, selbst ein alter Metallica-Fan zu sein. Das nützt ihm nichts. Schon vor Wochen hat die RIAA alleine eine Klage gegen ihn eingereicht. „Zu jeder Tages- und Nachtzeit, in jeder Sekunde“ könnten sich „hunderttausende von Usern bei Napster einwählen und sich unter Millionen raubkopierter Musikstücke bedienen“, heißt es in der Anklage. Am Dienstag hat das Gericht Shawns Verteidigungsschrift als ungenügend zurückgewiesen. Shawn hatte vorgebracht, dass Napster nur die technische Plattform für den Austausch von Dateien zur Verfügung stelle und deswegen für mögliche Urheberrechtsverletzungen nicht verantwortlich sei.
Doch das Wehgeschrei der Musikindustrie um entgangene Einnahmen ist auffällig größer als noch Anfang der 70er-Jahre, als nur die Audiokassette als Raubkopierwerkzeug für jedermann galt. Mit dem Internet und MP3 können private Mitschnitte nun auch global verbreitet und kopiert werden. Die Website von Napster wird von der University of Southern California, der Yale University und der Indiana University gehostet. Vom Erfolg der Klage wären in erster Linie Studenten und Schulen betroffen. Sie sind die Leidtragenden. 60.000 Websites, die über den Katalog von Napster erreichbar sind, müssten geschlossen werden.
Die Bandmitglieder von Metallica, die nach Angaben ihres Drummers und Sprechers Lars Ulrich noch nie im Internet waren („ich komme grad mal so in AOL“), bemühen sich inzwischen, auf ihrer eigenen Site ihren Standpunkt politisch zu erklären: „Wir bekämpfen nicht unsere Fans! Napster hat versäumt, zu erklären, dass ein Download von Musikdateien, in die viel Geld und Arbeit der Künstler reingeflossen sind, illegal ist.“ Und weiter im Metallica-Pressetext: „Das ist so, als würde man ei- nem Wolf ein Steak vors Maul halten und ihm sagen: Hier hast du, aber glaub nicht, dass du das darfst . . .“
BBC-News kommentierte diesen Fall so: „Die Plattenindustrie hat nun ihre Anwälte bemüht, weil sie es verpennt hat, selbst Musik im Netz anzubieten. Eine falsche Entscheidung. Die Internet-User haben via MP3 einen Weg gefunden, Musik frei zu verbreiten. Hätte man ihnen rechtzeitig ein Angebot gemacht, hätten sie vermutlich genauso gezahlt wie für CDs im Ladenlokal.“
Leider war es nicht so. Doch Immer mehr Musiker denken weiter. Sie posten in den einschlägigen Newsgroups, dass sie es sehr gerne sehen, wenn ihre Musik kostenlos im Internet runterzuladen ist. Unter www.angelfire.com/nc2/boycottmetallica/home.html wird jetzt zum Boykott der kalifornischen Hartmetaller aufgerufen. Und die Website www.paylars.com sammelt schon mal Spenden für die „armen Reichen“, die mit dem Zeitalter des Internets nicht so recht mitkommen.
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