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Ein Sender auf Sinnsuche

Ohne die Übertragungsrechte der Champions League steht tm3 mit einem 08/15-Programm da. Ob der Sender überhaupt eine Zukunft hat, weiß nur der Medienhändler Rupert Murdoch

von HANS G. NAGL

Letzte Woche prangte auf der Internetseite von tm3 noch der Slogan „Champions League 2000/2001 nimmt Konturen an“. Wie richtig diese Zeile ist, war dem Redakteur wohl nicht ganz klar. Denn nach der Übernahme des Münchner Senders durch den australischen Medien-Tycoon Rupert Murdoch wird die Europa-Liga in der kommenden Saison bei Premiere World und RTL landen. Während das Fußballereignis somit an Profil gewinnt, lösen sich bei tm3 die Konturen auf.

Eines scheint immerhin bereits klar zu sein: tm3 wird kein Fitness-Kanal. „Das ist definitiv vom Tisch“, sagt tm3-Sprecherin Silke Schuffenhauer. Der Sender werde künftig auf Spielfilme setzen, wo bis jetzt noch die Europa-Liga läuft. Dass die wegfällt, gilt auch im Sender als ausgemacht.

tm3 dürfte als Spartenprogramm für Service und Unterhaltung weiterlaufen – aber wohl eben ohne Fußball. Eine Bestätigung seitens der Uefa und der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) steht noch aus. „Die Grundausrichtung, die wir jetzt haben, wird bleiben“, erklärt Schuffenhauer. Und schiebt hinterher: „Murdoch steht loyal zu uns.“ Ein bisschen klingt das nach dem berühmten Pfeifen im finsteren Walde.

Die Sportredaktion sucht sich bereits geschlossen neue Jobs

Wir erinnern uns: tm3 war im August 1995 vom Heinrich-Bauer-Verlag und der Tele-München-Gruppe des Filmkaufmanns Herbert Kloiber aufgebaut worden. Der wollte mit dem heute bundesweit im Kabelnetz vertretenen Sender eine „dritte Kraft“ neben Bertelsmann und Kirch etablieren. 1998 stieg Bauer aus und Murdoch mit 66 Prozent ein.

Kurz darauf kaufte der Australier für 850 Millionen Mark die Champions League für vier Jahre. Und drängte tm3-Gründer Kloiber bald, die Rechte an RTL und Kirchs Pay-TV-Sender Premiere World abzutreten. An Letzterem ist Murdoch nämlich mittlerweile selbst beteiligt und könnte mit Fußball im Bezahlfernsehen, anders als bei tm3, auch richtig Kasse machen. Kloiber gab schließlich Ende April entnervt auf und verkaufte für 350 Millionen Mark seinen 34-prozentigen tm3-Restanteil an Murdoch. Womit sich der Sender nun komplett in Händen des Australiers befindet.

Auch wenn laut Premiere World noch kein Vertrag unterzeichnet ist: Mit dem Fußball ist tm3 auch die rund 40-köpfige Hamburger Sportredaktion los. „Was die Zukunft anbelangt, sieht es nicht gut aus“, sagt dort einer. Fast jeder sei mittlerweile auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber. „Man wäre ja blauäugig, wenn man sich da jetzt nicht umgucken würde“, heißt es. Doch einigen dürfte es nicht leicht fallen, eine neue Stelle zu finden. Um nämlich von ihren bisherigen Arbeitgebern – zumeist Sat.1 oder Premiere – freizukommen, waren viele vors Arbeitsgericht gezogen. Premiere World, so hört man, hat diesbezüglich keinen Schlussstrich gezogen. Ohne Ball braucht tm3 auf jeden Fall ein neues Programm. Denn eine Änderung des Sendekonzepts muss bei der zuständigen BLM genehmigt werden. Zudem entscheiden die Landesmedienanstalten über die Vergabe der begehrten Kabelfrequenzen.

Rund 50 Anbieter spekulierenauf den Platz von tm3

BLM-Sprecher Wolfgang Flieger schätzt allein in Bayern die Zahl der Anbieter, die den tm3-Platz gerne hätten, auf 40 bis 50. Handlungsbedarf sieht die BLM nach seinen Worten derzeit aber nicht. Die Lizenzierung der Kabelkanäle aber ließe Platz für Auslegung: „Da ist sicher ein gewisser Spielraum.“ Derzeit warten die Münchener noch auf Murdochs Programmänderungsantrag, der spätestens Ende der Woche bei der BLM vorliegen soll. Wie der Antrag aussehen könnte, weiß wohl nur Murdoch selbst. tm3-Gründer Kloiber meint dazu nur: „Ich höre gar nichts, nicht einmal Gerüchte.“

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