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Gut, dass wir geredet haben

Umweltverbände verlassen den „Energiedialog 2000“ des Wirtschaftsministers: Kein Raum für eine umweltfreundliche Energiezukunft. Das Ministerium bleibt gelassen: Man bedaure den Austritt, mache aber weiter wie bisher

von MATTHIAS URBACH

Weit mehr als 100 Stunden hat sich Heinz Laing um die Ohren geschlagen in den Arbeitsgruppen des Energiedialoges des Bundeswirtschaftsministeriums. Seit September hatte sich der Greenpeace-Energieexperte an der Formulierung eines Konsenspapieres zur Zukunft der Energiepolitik beteiligt. Die Diskussionen waren zäh. Beinhart seien etwa die Vertreter der Kohleindustrie in dem Gremium gewesen, sagt Laing. „Von denen könnten wir noch einiges lernen.“

Gestern setzten Laing und die Vertreter der anderen beteiligten Umweltverbände dem mühsamen Prozess ein Ende. Um 10.30 Uhr waren die Vertreter ein letztes Mal in das Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin-Tiergarten gekommen. Dann erklärten sie dem Plenum aus rund 40 Vertretern gesellschaftlicher Gruppen und des Wirtschaftsministeriums ihren Austritt. Höflich nahm das Gremium den zur Kenntnis. Und machte ohne die Verbände weiter.

Während die Verbleibenden noch tagten, erklärten Laing und seine Kollegen Regine Günther vom WWF sowie Frank Musiol vom Nabu ihren Schritt: In den abschließenden Gesprächen über den Beschlusstext des Energiedialogs habe sich gezeigt, dass die Umweltverbände ihn nicht unterzeichnen könnten. „Wir hätten uns zu sehr verbiegen müssen“, sagt Frank Musiol.

Es sei deutlich geworden, dass in dem Abschlussbericht im wesentlichen nur der Status quo festgeschrieben werde. So sollte etwa der Braunkohleanteil im Energiemix für 40 Jahre auf dem jetzigen Niveau festgeklopft werden. „Aus Sicht des Klimaschutzes muss er aber geringer werden“, erklärt Laing. Selbst dass demEnergiesparen Vorrang eingeräumt werden sollte, so Laing, „war nicht konsensfähig“.

Doch damit nicht genug. Die Umweltpolitiker klagen, sie hätten auch nicht die Möglichkeit zu einem Minderheitenvotum an ihnen besonders wichtigen Punkten gehabt. „Alles, was uns eingeräumt wurde“, sagt Musiol, „waren eckige Klammern hinter der betreffenden Passage mit dem Hinweis ‚Die Umweltverbände waren nicht einverstanden‘.“

Der Energiedialog 2000 wurde im vergangenen Sommer von Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) eingerichtet, um über die Zukunft der Energiepolitik zu sprechen. 30 handverlesene Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Parteien wurden dazu ausgesucht. Wer sie genau sind, das hält das Wirtschaftsministerium allerdings offiziell geheim. Man wolle durch die Vertraulichkeit gewährleisten, dass die Gespräche konstruktiv blieben, heißt es.

Nach Informationen der taz ist das Gremium überwiegend mit Vertretern der alten Energiewirtschaft besetzt. Das sind unter anderem Vertreter der Öl-, Gas- und Kohleindustrie, des Bundesverbandes der Industrie und der Automobilindustrie, außerdem einzelne Firmen, darunter die Stromkonzerne RWE, PreussenElektra, sowie DaimlerChrysler und BMW. Abgerundet wird die Palette mit FDP, SPD, Grünen und CDU sowie Vertretern der beiden Gewerkschaften IGBCE und ÖTV.

Man habe immer wieder Zustimmung von einzelnen anderen Mitgliedern, etwa der ÖTV bekommen, manchmal sogar von der Autoindustrie, berichtet Laing, „aber wenn es hart auf hart kam, konnten wir uns mit keiner Position durchsetzen“.

Im Energiedialog, sei nicht einmal die Forderung nach einer EU-weiten Einführung einer Kerosinsteuer mehrheitsfähig gewesen, wie sie der Bundestag längst aufgestellt hat. Stattdessen verlangt das Papier in der bisherigen Fassung als Vorbedingung, dass die Kerosinsteuer weltweit eingeführt wird. Auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung und bei erneuerbaren Energien war es laut dem Greenpeace-Experten, unmöglich, Positionen einzubringen, die die Regierung schon beschlossen habe. „Wenn das hinter dem zurückbleibt, was im Kabinett sowieso passiert“, resümiert Laing, „was soll denn das noch?“

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