piwik no script img

„Früher war ich Sozi. Heute bin ich zornig.“

■ Das Bremer Urgestein Peter Schild will helfen: Wer durch Behördenwillkür in Not gerät, soll bei seinem Verein gegen sture Beamte künftig Unterstützung finden

Mit der roten Batschkapp und den schwarzen Lederhosen sieht Peter Schild aus wie ein Freizeitrocker. Reden tut er wie ein alter Kommunist. Über Politiker, die Wein trinken und Wasser predigen und über Professoren, die zu viel verdienen. Mitglied ist er aber nirgends. Nicht mehr. „Früher war ich Sozi. Heute bin ich zornig“, sagt der 54-Jährige. Sein Zorn richtet sich „gegen sture Beamte und Angestellte anderer Institutionen“. So soll auch der Verein heißen, den er demnächst gründet. Vielleicht wird Peter Schild da sogar Vorstandsmitglied – um dem Amtsschimmel Beine zu machen.

„Der Verein unterstützt bei Auseinandersetztungen mit staatlichen Diensten, bei Schlamperei, Verzögerung, Ignoranz, Arroganz“, heißt es im Satzungsentwurf. Auch der Kampf gegen Veruntreuung öffentlicher Gelder soll künftig in seinem Aktionsradius liegen. Die Gründungsmitglieder hat Peter Schild bereits zusammen. Die Arbeit macht er schon lange. Den Impuls dazu gab Bianca.

„16 Jahre, vom Vater miss-braucht, schwanger.“ So lernte Schild vor fünf Jahren die Tochter eines Straßenbahnfahrers kennen, die sich aus Angst und Ekel nicht mehr nach Hause traute. „Die hatte kein Bett zu schlafen. Mitten in Deutschland“, schüttelt sich Schild, selbst Vater von fünf erwachsenen Kindern. Der gelernte Kaufmann begleitete das Mädchen zum Sozialamt. Bald hatte sie ein eigenes Dach über dem Kopf. Diese Erfolgsstory endete – auf Umwegen – schließlich vor Gericht.

„Der Sozialamtsberater hatte Bianca Geld versprochen, wenn sie mit ihm schläft“, erinnert sich Schild. Das Geld sollte aus unlauteren Quellen stammen – aus dem, was anderen Klienten zustand, die ihr Kleider- oder Renovierungsgeld aber nie zu sehen bekamen. Der Mann flog auf – und schließlich aus dem Job. „Aber es gibt viele andere, die nur ihre Macht ausspielen wollen. Dabei könnten sie mit einem Federstrich vielen Menschen Leid ersparen – und niemand wäre böse“, sagt Schild.

Seit Bianca hat sich Peter Schilds Gabe zum Briefeschreiben und Verhandeln mit Behörden, Versicherungen und sogar Anwälten herumgesprochen. Jessica, Susanne, Jörn und wie sie alle heißen, waren schon bei ihm. Jörn beispielsweise bekommt jetzt Sozialhilfe. Susanne, die Rentnerin, der die Baufirma vom Nachbargrundstück aus die Rabatten platt fuhr, ohne Wiedergutmachung anzubieten, wurde der Schaden ersetzt. Auch Jessica, die nach dem Hundebiss vom letzten bisschen Stütze auch noch das Verbandszeug selber kaufte, hat die Versicherung dank Peters Hilfe in Regress genommen. Und gegen eine vermeintliche Schwarzfahrerin wurde sogar der Strafbefehl zurückgezogen. Sie fand schließlich ihre Jahreskarte, Schild erledigte den Briefwechsel. „Viele Leute sind einfach hilflos“, sagt er. Diese Frau beispielsweise hatte einfach die Post nicht geöffnet – bis alles zu spät war.

Manchmal, wenn Schild selbst die Puste ausgeht, reicht er seine Fälle an Anwälte weiter. So wird es auch der Verein handhaben. Vor allem in schwierigen Fällen. „Natürlich bin ich oft unterlegen“, sagt er. „Ich bin ja nur ein kleiner Peter Schild.“ Einer, der das altmodische Wort Demut ganz gelassen ausspricht. „Manchmal sitze ich da und überlege, dass es mir doch gut geht“, sagt er. Seine Großmutter habe ihn da beeinflusst – und vielleicht das Erlebnis, als Sohn eines feinsinnigen Künstlers den gleichaltrigen Dorfjungen immer als Blitzableiter gedient zu haben. „Auf die Kleinen treten finde ich schäbig“, sagt er heute.

Allerdings – wer zu Peter Schild kommt, hat es nicht nur leicht. Bis der Helfer aktiv werden kann, muss er viele Fragen stellen. Dass ist manchmal ziemlich unbequem. Aber so ist er eben. Als die Gründungswelle der Stattparteien beispielsweise vor Jahren durchs Land schwappte, ging Schild zu jeder Gründungsversammlung – und blitzte ab. Er hatte an „diese abgebrochenen Sozialdemokraten und CDUler“ nur ein Anliegen: „Gebt mir das Mandat zu kontrollieren, wofür ihr unser Geld ausgebt.“ – „Aber das wollten die nicht“, erinnert sich Schild. Jetzt ist er zuversichtlich, dass sein Verein gegen sture Beamte sich zu einer „politischen Kraft“ entwickeln könnte: „Es gibt ja so viele frustierte und verbitterte Menschen.“ ede

Kontakt: Peter Schild

Tel.: 396 25 38

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen