: Von faulen Säcken und Polemik
„Faule Säcke“ hatte taz-Bildungsredakteur Christian Füller Lehrer während des Schulstreiks im April tituliert. Jetzt lud die taz die Verunglimpften zur Diskussion über die eigene Streikberichterstattung und über die Berliner Bildungspolitik
von JEANETTE GODDAR
Lehrer wollen endlich weg vom Bild des notorischen Meckerers. Der Schulstreik im vergangenen Monat allerdings hat dieses ungeliebte Bild stärker denn je auferstehen lassen. Und daran, so sind sich die Lehrer einig, haben auch die Medien eine gute Portion Schuld. Um diese und andere Fragen aufzuarbeiten, hatte die taz für Mittwochabend Lehrer und Lehrerinnen zu einer Diskussion in die Zeitung geladen.
Und wie so viele begann auch diese Veranstaltung mit einem Dementi: Nein, versicherte der taz-Bildungsredakteur Christian Füller, anders als offenbar angenommen handle es sich nicht bei der Mehrheit der taz-Mitarbeiter um verhinderte Lehrer, die es nicht in den Schuldienst geschafft hätten. Das nämlich hatten gleich mehrere Lehrer suggeriert, die mit wütenden Briefen auf die Berichterstattung zum Lehrerstreik und insbesondere auf Füllers Polemik in der Rubrik „böses blut“ reagiert hatten. Dort hatte es unter anderem geheißen, Lehrer seien „natürlich faule Säcke“ und schon gar nicht von der Arbeitszeit her überlastet.
Die Kritik der Lehrer, die bei dem Treffen mit der taz laut wurde, war differenziert: Einerseits wurde darauf verwiesen, dass man erwarte, dass Redakteure „nicht wiedergeben, was an Stammtischen parliert wird“ oder „eine positive linke Position und nicht so einen Quark“ verbreiten. Andererseits wurde aber auch die Berichterstattung zum Thema Schule sowie die wöchentlich erscheinende Bildungsseite gelobt. Und auch der anwesende Schulleiter Jens Großpietsch konstatierte, eine Zeitung möge bitte kein „Verlautbarungsorgan der Lehrerschaft“ sein: „In der Bildungspolitik wie im Journalismus muss es darum gehen, die richtigen Fragen zu stellen und zu gucken, ob es darauf schon Antworten gibt.“
Für die taz verwies Chefredakteurin Bascha Mika darauf, eine Polemik sei dazu da, zu polarisieren: „Unsere Leser sind klug genug, eine Polemik als das zu erkennen, was sie ist.“ Redakteurin Julia Naumann widersprach dem Verdacht, tazler verbrächten zu viel Zeit am Schreibtisch: „Natürlich gehört es zu meinem Job, auch in die Schulen zu gehen.“
Nach dem Schlagabtausch, dem auch der mehrfach angegriffene Redakteur Füller mit ungewohnter Zahmheit beiwohnte, kam es dann doch zum konstruktiven Dialog. Vor allem in der Kritik an der aktuellen Lage war man sich einig: Es müsse „endlich wieder Spaß in die Schule“, forderte Manfred Triebe, seit 27 Jahren Lehrer: „Dann ist es auch völlig egal, wie der Rahmenplan aussieht – letztlich ist Schulzeit doch die Addition von 10 oder 13 gelebten Schuljahren.“ Allerdings wiesen auch sämtliche anwesenden Lehrer das kolportierte Bild des Nörglers weit von sich. Die ehemalige Sprecherin der GEW, Erdmute Safranski, konstatierte, dass Journalisten auch dazu neigten, häufiger auf Probleme und Mankos als auf Positives zu verweisen. Warum er denn dann so oft mit Referendaren spreche, die, einst hoch motiviert, binnen eines halben Jahres im Schuldienst komplett desillusioniert würden, hielt Füller ihr entgegen.
Von der Mehrheit der anwesenden Lehrer abgelehnt wurde die auch von manchen Grünen-Bildungspolitikern geforderte Entstaatlichung der Schulen. Der Hellersdorfer Lehrer Harald Rehnert warnte vor der Entstehung von Schulen „erster, zweiter, dritter und vierter Klasse“. Großpietsch äußerte sogar den Verdacht, dass im Rahmen der bestehenden Schulversuche auch so manche Kollegien „sich gerne von bestimmten Teilen der Schülerschaft verabschieden würden“. Auch wenn man diskutieren könne, wofür der Staat in der Bildung einstehen müsse, könne doch ein Auftrag nicht in Frage gestellt werden – nämlich der, soziale Ungerechtigkeiten auszugleichen.
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