Trittins sanfte Naturnovelle

Der Umweltminister will das Naturschutzgesetz komplett überarbeiten und dabei – anders als Angela Merkel – die Kompetenz der Länder respektieren

BERLIN taz ■ Umweltminister Jürgen Trittin will mit seiner Naturschutznovelle das bestehende Gesetz komplett überarbeiten. Dabei soll erstmals ein Verbandsklagerecht gegen die Natur beeinträchtigende Projekte des Bundes eingeführt sowie die Entschädigung von Landwirten neu geregelt werden. Trittin möchte das Gesetz so formulieren, dass keine Zustimmung des Bundesrates nötig werde. Dennoch sollen die Länder angehört werden, sagte Trittin der taz, „bis hin zum Vermittlungsausschuss“.

Anders als seine Amtsvorgängerin Angela Merkel, die mit ihrer Gesamtnovelle im Bundesrat scheiterte, will Trittin nur Rahmenregelungen erlassen. Schließlich sei laut Verfassung Naturschutz Ländersache. Merkels Novelle sei eine „Verhöhnung des Föderalismus“ gewesen, sagte der Minister.

Die Novelle soll künftig die Einrichtung von Biotopverbundsystemen auf zehn Prozent der Fläche jedes Bundeslandes vorschreiben. Diese Fläche müsste nicht komplett unter Schutz gestellt werden, aber alle wichtigen Naturschutzgebiete eines Bundeslandes so verknüpfen, dass seltene Tier- und Pflanzenarten sich weiter ausbreiten können.

Trittin will die alte Regelung Merkels wieder aufheben, die Bauern hohe Entschädigungen verspricht, wenn ihr Acker unter Naturschutz gestellt wird. Diese Regeln sind für die Länder so teuer, dass sie vielfach die Ausweisung neuer Schutzgebiete stoppen mussten. Laut Novelle soll weiter Ausgleich gezahlt werden, die Ausgestaltung aber in die Hände der Länder gelegt werden.

Künftig soll es die Möglichkeit geben, Naturgebiete „in Entwicklung“ auszuweisen. Damit sollen Pleiten wie beim „Nationalpark Elbtalaue“ vermieden werden, der vor einem Jahr vor Gericht scheiterte, weil er zu viel Kulturlandschaft enthielt. Nun könnte auch Kulturlandschaft geschützt werden, die sich erst im Laufe der Zeit in schützenswerte Natur zurückverwandelt.

Außerdem möchte Trittin die Interessen von Sportlern und Erholungssuchenden stärker im Naturschutz berücksichtigen. Es mache keinen Sinn, sich diese Gruppen künstlich zu Feinden zu machen. Auch in den Landwirten sieht der Minister auf lange Sicht eher Bündnispartner. Schließlich würde den Landwirten durch Naturparks neue Einnahmequellen im Tourismus eröffnet.

Die Umweltsprecherin der SPD-Fraktion, Ulrike Mehl, bezeichnete Trittins Vorstellungen als „eine gute Diskussiongrundlage“. Ähnlich äußerte sich die grüne Naturschutzsprecherin Sylvia Voß, der allerdings ein sich rein auf Bundesprojekte beziehendes Verbandsklagerecht nicht weit genug geht. Beide Fraktionssprecherinnen wünschen sich außerdem eine strenge Definierung der „Guten fachlichen Praxis“. Darin ist geregelt, wie viel Pestizide, Dünger und welche Anbaumethoden erlaubt sind. „Wir haben noch immer einen zu großen Artenschwund durch die Landwirtschaft“, sagte Voß. MATTHIAS URBACH