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Die neue katholische Kirche

■ Kirche stellt sich mit dem Treffpunkt Kirche der „urbanen Herausforderung“, Problem Stadt wird angegangen

Auf das „Kapitel 8“ der Evangelischen Kirche konnten Bremens Katholiken bislang nur neidisch schielen: Dort spricht man von „tausenden neuen Kontakten, die wir sonst nicht gehabt hätten“. Nun zieht die Katholische Kirche nach: „Im Schatten“ von St. Johann, „diesem kleinen Vatikan“, wie Bischof Franz Josef Bode aus Osnabrück schwärmt, gibt es jetzt einen Treffpunkt, um ins Gespräch zu kommen mit den verlorenen Schafen der Großstadt.

Auf dem Land war das Christentum bislang noch schön verankert. Aber die Stadt ist es, die der Kirche Probleme macht. Der Wahn und Sturz von Babylon sitzt noch tief in den Köpfen der Katholiken, meint der Theologe Heinrich Jacob. Die Folge: „Die Seelsorge tut sich immer noch schwer mit der Stadt.“ Jacob fordert deshalb ein Umdenken: Eine theologisch Kehrtwende zur „Stadtpastorale“. Soziologisch ausgedrückt: Die Kirche muss sich der „urbanen Herausforderung stellen.“ Und die Parole zum mitbeten: „Das Christentum fürchtet die Stadt nicht.“

Das will der Treffpunkt am Schnoor jetzt beweisen. „Niederschwellig“ soll er sein, damit auch der Flaneur durch die immer offene Tür spazieren soll. „Lasst Euch ein auf die Umgebung – auch wenn sie fremd ist,“ weist schon die Bibel den Katholiken den Weg, wie der Bischof zitiert. Auch der „stranger in the night“ soll ab sofort mit offenen Armen empfangen werden.

Das sei bitter nötig, denn so manche Kirche strahle heute nicht mehr sehr weit aus – „deswegen würde ich nicht gläubig“, sagt Jacob, Theologie-Prof und Seelsorge-Leiter am Osnabrücker Generalvikariat. „Treffpunkt“ ist also schon gar nicht mehr das richtige Wort für den Raum und das Vorhaben am Schnoor. Mit der neuentdeckten Urbanität ändern sich auch die Namen: Eine „missionarische Agentur“, titelt Jacob das Objekt, das laut Treffpunkt-Leiter Ulrich Schratz „Cityseelsorge“ bieten will. Angegliedert an den Treffpunkt ist außerdem die „Offen Tür“ für Lebensberatung und Seelsorge. Und die Buchhandlung am Schnoor, die jetzt auch christliche Kunst feil bieten will.

Klare Worte für die Katholiken hat Jacob auf die Tagesordnung der Einweihung gepackt. „Mit diffusem Gutes-Tun“ sei es heute nicht mehr getan. Ganz verduzt lässt er die Einweihungsgäste wissen, dass eine Gemeinde heute doch eher ein „Patienten-Kollektiv“ sei, „wo einer dem anderen hilft“. Ungläubiges Aufhorchen: Die neue Kirche ist kaum wiederzuerkennen.

Eine „Konkurrenzveranstaltung“ zu dem erfolgreich etablierten „Kapitel 8“ will der Treffpunkt aber nicht sein. Vor vier Jahren hatten beide Kirchen schon mal an ein ökumenisches Projekt gedacht. Jetzt gehen beide den Soloweg. Aber wer weiß: „Vielleicht sieht es in zehn Jahren, wenn das Geld knapp wird, schon wieder anders aus“, scherzt der Repräsentant der Evangelischen Kirche, Louis-Ferdinand von Zobeltitz. Auf katholischem Gebiet hat Bremen aber die Nase vorn: „Bremen ist schneller als Osnabrück, wo ich mir so einen Treffpunkt auch wünschte“, gratuliert Bischof Franz-Josef Bode.

Eins werden die Katholiken mit ihrem Treffpunkt aber brauchen, warnt von Zobeltitz: Geduld. „Es reicht nicht, dass die Kirche die Türen aufmacht und meint, es kommen Tausende.“ Gerade mal fünf bis 20 Leute plätschern mittlerweile beim „Capitel 8“ pro Tag durch die Tür. Anfangs noch sehr viel weniger. Auch ein Geschenk brachte von Zobeltitz mit: Ein Buch, das von Abraham bis Zion alle Evangelischen Einrichtungen nennt. „Nur für den Fall, dass jemand beim Treffpunkt etwas über die evangelische Kirche wissen will.“

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Der Treffpunkt ist im Haus am Schnoor zu finden: Balgebrückstraße Ecke Lange Wieren.

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