: Preise rauf, Hosen runter
■ Das Bremer Theater setzt in der neuen Spielzeit auf zeitgenössische Stücke. Die Preise werden erhöht. Tram-Fahren mit Tickets möglich
„Wie det machs, machset verkehrt.“ Das ist der Slogan auf einem T-Shirt, das die Kabarettistinnen Missfits jetzt in Bremen verkauft haben. „Ihr macht in letzter Zeit so viel über das Bremer Theater“, berichten uns unsere ADAC-Staumelder mit kritischem Gesäusel. Doch nicht wir, sondern das Bremer Theater macht einfach so viel. Und das wird auch in der kommenden Spielzeit so bleiben.
Sage und schreibe 25 Premieren hat Theaterintendant Klaus Pierwoß für die Spielzeit 2000/2001 jetzt angekündigt. Noch stärker als in der laufenden Saison liegt das Profil auf zeitgenössischen Stücken. Vor allem im Schauspiel kann von Klassikerpflege kaum noch die Rede sein.
Doch zur Spielzeiteröffnung wird die Oper dem Bremer Theater Anfang Oktober einen dicken Pressespiegel mit überregionaler Berichterstattung bescheren. Luigi Nonos nicht nur in den Chorpassagen sauschweres Werk „Intolleranza 1960“ steht zum Auftakt auf dem Spielplan. Nonos Oper über die Themen Emigration, Flucht und Asyl ist nach Auffassung des Musiktheaterdramaturgen Norbert Klein heute so aktuell wie 1960 und ohnehin eine der wichtigsten Opern des letzten Jahrhunderts. Meister Wüterich Hans Kresnik, der vor drei Jahren mit seiner spektakulären wie umstrittenen „Fidelio“-Einrichtung Furore gemacht hat, darf wieder ran. Daneben dürfen sich die OperngängerInnen aber auch über Gefälligeres und Klassischeres wie Puccinis „Tosca“, Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ oder Mozarts „Cosi fan tutte“ freuen. Zeitgenössisches gibt's dann noch mal mit Mauricio Kagels „Der mündliche Verrat“ und in der Rubrik „Klassiker der Moderne“ Brecht/Weills „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ in der Einstudierung von Andrej Woron.
Der Regisseur aus Polen könnte in Bremen seinen Zweitwohnsitz anmelden, denn er inszeniert in der nächsten Spielzeit gleich zweimal. Neben der Oper nach einem Text von Brecht wird er auch Brechts frühes Stück „Baal“ zum Auftakt der Schauspielsaison Mitte Oktober einrichten. In dieser Sparte sitzen die Klassiker mit der verschobenen Inszenierung von Goethes „Faust II“ und – über 30 Jahre nach der legendären Peter-Stein-Fassung – „Torquato Tasso“ in der zweiten Reihe. Es hagelt geradezu neue Dramatik: Mit dem Auftragswerk „Vogeler“ – über die knallbunte oder besser rotbunte Biographie des Malers – von Katharina Gericke gibt es eine Uraufführung. Mit Enda Walshs „Sucking Dublin“ und Vladimir Sorokins „Dostojewskij Trip“ folgen zwei deutschsprachige Erstaufführungen. Und „Der Name“ des gefeierten Norwegers Jon Fosse ist vor Bremen nur in Berlin zu sehen. Insgesamt bereitet das Schauspiel zwölf neue Inszenierungen vor.
Der Choreograph Urs Dietrich, der ab Herbst allein die Leitung des ruhmreichen Bremer Tanztheaters übernehmen wird, plant eine Trilogie über Schönheit, Deformationen und Archaik. Dazu zählt neben der Produktion „Versus“ aus der laufenden Saison (Uraufführung am 18. Mai, um 20 Uhr im Concordia) auch das zunächst für die Expo kreierte Stück „Every.Body“ und die Frühjahrsproduktion „Passionen.Passagen“. Das Kinder- und Jugendtheater MOKS hält auch unter seinem neuen Leiter Klaus Schumacher an vier Produktionen pro Jahr fest. Von vielen kindlichen ZuschauerInnen erwartet, ist eine Fortsetzung des Mitspielstückes „Papp-Horn-Expedition“ darunter.
In Sachen Personal gehts am Bremer Theater ein bisschen zu wie im Taubenschlag. Neue Leute werden in die Öffentlichkeitsarbeit sowie in die Ensembles kommen und andere gehen. Die größten Veränderungen gibt es im Schauspielensemble, das gleich von sieben der 22 SchauspielerInnen verlassen wird. Auch in der Oper scheiden fünf SängerInnen aus. Intendant Pierwoß hält so einen Wechsel für ganz normal.
Schließlich noch eine gute und eine schlechte Nachricht. Zum ers-ten Mal seit 1996 erhöht das Theater die Eintrittspreise zum Beginn der neuen Spielzeit um durchschnittlich fünf Prozent – oder zwischen zwei und sechs Mark pro Karte. Ausgenommen sind das Concordia und der Brauhauskeller. Dafür ist das Theaterticket ab Herbst auch Fahrkarte für Busse und Bahnen in Bremen sowie in den Umlandgemeinden der Tarifzonen I, II und S. Das Ticket gilt in Fahrzeugen der BSAG und des VBN jeweils drei Stunden vor und nach der Vorstellung. ck
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