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Abschied von den Champs

Ein Eigentor von Andreas Schmidt leitet Herthas Niederlage bei 1860 München ein. Die Berliner haben nun kaum noch eine Chance auf die erneute Qualifikation zur Champions League

aus München FRED STEIN

Andreas Schmidt war natürlich wieder mit den besten Absichten ins Spiel seines Arbeitgebers Hertha BSC Berlin gegen den TSV 1860 im Münchner Olympiastadion gegangen. Und so konzentriert auf seine Aufgabe als Verteidiger, wie ihm das eben möglich war. Doch dann kam die 22. Minute und jene weite Flanke des Münchner Liberos Ned Zelic vors Berliner Tor, die ihm zum Verhängnis werden sollte. Schmidt spürte den Atem des 1860-Stürmers Martin Max im Nacken, sah den Ball, der näher und näher kam und Max vor die Stirn zu fallen drohte. Also streckte sich Schmidt, der brave Abwehrmann, und erwischte den Ball. Vor Max. Kaum bedrängt, aber unglücklich. Torwart Gabor Kiraly schaute verdutzt, Schmidt auch, Max erwartungsvoll. Der Ball kullerte ins Tor. 1860 führte 1:0.

„Das ist mit Sicherheit nicht der schönste Augenblick für einen Fußballer“, hat Schmidt später gesagt und sich dann selbst zu trösten versucht: „Das passiert jedem mal.“ Doch was half's: Sein Eigentor bedeutete den Anfang vom Ende. 1:2 (0:1) verlor Hertha in München und damit ein bisschen den Anschluss im Kampf mit den Löwen um Platz vier, der zur Teilnahme an den Spielen für die Champions-League-Qualifikation berechtigt. Immerhin, ganz futsch ist der einträgliche Rang noch nicht; 1860 müsste am letzten Spieltag nächsten Samstag nur verlieren und Hertha gegen Dortmund gewinnen. Aber die Niederlage hat die Aussichten auf den neuerlichen Einzug in die europäische A-Klasse erheblich verschlechtert. Und Schmidt könnte eingehen in die Saisonhistorie als der Mann, der Hertha ein millionenschweres internationales Engagement vermasselte.

Aber das wäre ungerecht. Ganz Hertha nämlich begann fahrig, erschien in der Abwehr zunächst nicht im Bilde und bekam kaum einen konstruktiven Spielzug zustande. „Wir haben uns zu weit nach hinten drängen lassen“, nörgelte Röber, „das war so nicht geplant.“ 1860 wurde schnell torgefährlich, erst das Negativerlebnis rüttelte Herthas Ensemble auf. Vor allem die Offensiv-Maschinerie lief danach besser. Doch just in der Phase, als Herthas Dribbler begannen, das Tempo der Partie zu diktieren, traf sie der nächste Hieb, der Röber nur noch wenig Hoffnung ließ auf ein gütliches Ende der Geschäftsreise. „Wie das halt so ist, wenn man aufmacht.“ Konter, Flanke, Tor. Thomas Häßler bediente Martin Max – 0:2 (58.). „Von da an wird es sehr, sehr schwer“, sagte Röber. Zu schwer.

Ali Daei durfte noch mal erfolgreich köpfeln (77.), Brian Roy den Ball beim Freistoß an die Latte donnern (89.). Und Röber fand sein Team „irgendwo überlegen“ – aber das reichte ja nicht. Kapitän Michael Preetz blieb nur noch die betrübliche Erkenntnis: „In München müssen wir uns immer erst zwei Tore einfangen, damit wir besser Fußball spielen.“

Unpraktisch. Trotzdem hat das in München eigentlich niemand so richtig bedauert. Herthas Schicksal ging unter im Trubel um 1860, das sich nach zwei verkorksten Spielzeiten vorzeitig für den Uefa-Cup qualifizierte. Und im Strudel der Spekulationen, die Teamchef Erich Ribbecks wertvolle Anwesenheit auslöste. Häßler und Max zu Europameisterschaft? Das war die meist gestellte Frage, die Ribbeck aber vornehm unbeantwortet ließ, ebenso wie andere Personalfragen. Seine Eindrücke über die Berliner EM-Anwärter musste man sich daher schon selbst ausdenken. Ergebnis: Stürmer Preetz und Spielmacher Dariusz Wosz leisten derzeit weniger als ihre Münchner Pendants Max und Häßler. Dafür gefiel Sebastian Deisler als Außendribbler, der nur manchmal glücklos beim Abspiel war, und Marko Rehmer als Fleißarbeiter.

So schlimm fand Röber den Aufenthalt in München dann auch gar nicht. Klar, verloren. Und am Ende fast noch hoch, weil 1860 seine Konter nicht unterbrachte. Aber sein Team, fand Röber, habe schon schlechter gespielt in München. Beim letzten Mal im September 98 stand es am Ende 0:2. Und die Champions League gibt er auch noch nicht auf. Röber sagte trotzig: „Wir haben noch alle Möglichkeiten.“ Und das wird vor allem Andreas Schmidt gerne gehört haben.

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