: Der deutsche Pass kommt in Mode
Marieluise Beck, Ausländerbeauftragte der Regierung, verkündet eine gute Nachricht: Im Prinzip kommt das neue Staatsangehörigkeitsrecht an. Allerdings hadern viele Eltern mit der Entscheidung, ihr Kind einbürgern zu lassen
von ELKE SPANNER
In einem ist sich die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, sicher: Die Wahlen in Nordrhein-Westfalen haben die Migrationspolitik der Bundesregierung bestätigt. Der zweite Versuch der CDU, durch eine ausländerfeindliche Kampagne WählerInnenstimmen zu gewinnen, sei fehlgeschlagen.
Nicht nur durch politische Wahlen, auch durch die Resonanz der MigrantInnen selber wähnt sie Rot-Grün auf dem richtigen Weg: Bundesweit sei ein „deutlicher Trend zu mehr Einbürgerungen“ zu vermerken, bilanzierte sie knapp ein halbes Jahr nach der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts gestern zusammen mit der Hamburger Ausländerbeauftragten Ursula Neumann in der Hansestadt.
Unerwartet gering ist jedoch die Zahl der Einbürgerungsanträge für Kinder unter zehn Jahren. Sie können einen deutschen Pass bekommen, wenn sie entweder hier geboren wurden, mindestens ein Elternteil seit acht Jahren in Deutschland lebt, eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung besitzt – und den Antrag noch bis Jahresende stellt.
Bundesweit hätten rund 700.000 Kinder einen Anspruch auf den deutschen Pass, doch bisher „tut sich hier wenig“, sagte Beck. Genaue Zahlen wollen die Länder erst zu Mitte des Jahres zusammentragen. Deutlich sei jedoch schon jetzt, dass die Anzahl der Anträge weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Zum einen, so Becks Erklärung, seien viele Eltern immer noch nicht ausreichend über die Möglichkeit informiert, einen deutschen Pass für ihre Kinder zu beantragen.
Allerdings sei auch deutlich geworden, dass die Nachfrage überall dort angestiegen sei, wo Städte und Gemeinde offensiv in Kindergärten und Schulen für das neue Staatsangehörigkeitsrecht werben. Vor allem aber schreckten viele Eltern vor der hohen Verwaltungsgebühr von 500 Mark pro Antrag zurück. Beck appellierte an die Länder, die Gebühren für Kinder zu ermäßigen.
Der Arbeitsaufwand sei zumindest beim zweiten Kind einer Familie ohnehin gering, bestätigte auch die Hamburger Ausländerbeauftragte Ursula Neumann: Ob die Eltern die Voraussetzungen erfüllen, bräuchte nicht bei jedem Kind einer Familie gesondert geprüft werden. Der Sprecher der Hamburger Ausländerbehörde will „die Anregung aufnehmen“.
Neben den finanziellen Hürden gebe es für viele Eltern auch „psychologische Barrieren“, die deutsche Staatsangehörigkeit für ihre Kinder zu beantragen, fügte Beck hinzu. Dass der Sohn oder die Tochter einen deutschen Pass in der Tasche haben soll, während er ihnen aber verwehrt bleibt, sei für viele Familien ein unüberwindbares Problem.
Gerade bei türkischen MigrantInnen sei die Enttäuschung sehr groß, dass nicht der erhoffte „Doppelpass“ eingeführt wurde. Dadurch sei die Beziehung zwischen „der deutschen und der türkischen Seite empfindlich gestört, und dafür zahlen wir heute noch“. Um Zeit zu gewinnen, MigrantInnen über die Einbürgerungsmöglichkeit ihrer Kinder zu informieren, sollte die Bundesregierung die Verlängerung der Antragsfrist über das Jahr hinaus prüfen.
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