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Ein fröhliches Milliardengrab

Mit Preissenkungen und Sonderangeboten sollen Besucher zur Expo gelockt werden, um dort „Farben, Formen, Gerüche und Töne“ zu erleben

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Am Himmelfahrtstag um 9 Uhr wird Bundespräsident Johannes Rau am Haupteingang des Expo-Geländes das blaue Band durchschneiden, und dann wird auch Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel froh sein.

„Endspurt für 6.000 Baurabeiter“ sei gegenwärtig auf dem 160 Hektar großen Weltausstellungsgelände, sagte die Generalkomissarin der Weltausstellung gestern in Hannover bei ihrem Ausblick auf den Expo-Eröffnungstag am 1. Juli. „Dass es nun endlich losgeht“, wünsche sie sich auch selbst, seufzte Breuel und kündigte dann die Stars des Eröffnungspopkonzertes an: Chris de Burgh, Heinz Rudolf Kunze und die Band Fools Garden werden an Himmelfahrt auf der Bühne des Expo-Hauptplatzes, der Plaza, „für eine rockige Expo-Eröffnung sorgen“. Die Stars der Weltmusik, wie etwa Khaled aus Algerien, präsentieren sich auf anderen Bühnen draußen im 160 Hektar großen Gelände.

Das passt zu einer Weltausstellung, die trotz des Mottos „Mensch Natur Technik“ und einer Selbstverpflichtung auf die Agenda 21 nun eine Mischung aus Industrieschau und Freizeitpark geworden ist. Natürlich müsse man nicht studiert haben, um die Expo zu verstehen, betont Birgit Breuel immer wieder. Ein sinnliches Erlebnis solle der Besuch der Weltausstellung sein, solle „Lebensfreude vermitteln, Unterhaltung, Farben, Formen, Gerüche, Töne“.

Die potenziellen Expo-Besucher sind allerdings auf diese versprochenen Sinnesfreuden noch nicht angesprungen. Für die Eröffnungsfeier habe man bisher annähernd 100.000 Karten verkauft, sagte Breuel gestern. Ursprünglich rechnete man schon am ersten Expo-Tag mit 250.000 neugierigen Gästen aus dem In- und Ausland. Die Expo-Gesellschaft hat inzwischen ihre Besucherprognosen nach unten korrigieren müssen. Am Eröffnungstag sind nun 150.000 zahlende Gäste auf dem Expo-Gelände das Ziel.

Überhaupt sieht man jetzt den Juni und Juli als schlechte Monate an. Zwischen 100.000 und 150.000 zahlende Besucher täglich seien in den ersten Wochen der Weltausstellung zu erwarten, sagt Expo-Sprecher Andreas Lampersbach. Etwa 260.000 zahlende Gäste muss die Expo GmbH im Schnitt pro Tag erreichen, damit sie nach 153 Weltausstellungstagen die geplanten 40 Millionen Besuche zählen kann.

Bei der Eröffnung sollen jetzt Sonderangebote nachhelfen, damit immerhin noch 150.000 Besucher kommen. Von den 100.000 bereits verkauften Eröffnungskarten hat allein die Bahn AG 75.000 ohne Rückgaberecht erworben, die sie mitnichten bereits an ihre Kunden gebracht hat. Eine fünfköpfige Familie kann deswegen nun bundesweit am Himmelfahrtstag für 249 Mark per ICE zum Expo-Bahnhof reisen, dabei ist der Eintrittspreis inbegriffen. Ansonsten kostet die Kombination aus Anreise und Eintritt für eine vierköpfige Familie 443 Mark.

Auch die Expo GmbH selbst hat für die Eröffnung nun für Familien die Preise gesenkt: Die Familienkarte zum Preis von 159 Mark für zwei Erwachsene und ein Kind soll bereits am 1. Juni gelten. Immerhin kostet das normale Ticket an diesem Tag pro Person stolze 120 Mark.

Von den insgesamt geplanten 40 Millionen Eintrittskarten sind zwei Wochen vor Expo-Eröffnung erst gut 2,5 Millionen abgesetzt – der Löwenanteil davon allerdings an Großkunden, die zum Teil ebenfalls ein Rückgaberecht für ihre Kontingente haben.

Urprünglich sollte sich die Weltausstellung einmal über einen frühzeitigen Kartenvorverkauf und über Sponsoring selbst vorfinanzieren. So wollten der Bund und das Land Niedersachsen, die sich die Miesen der Expo am Ende teilen müssen, von vornherein mögliche Defizite der Weltausstellung unter Kontrolle halten. Das Gesamtdefizit der Weltausstellung kann theoretisch jene Summe von 1,77 Milliarden Mark erreichen, auf die der Bund und das Land Nidersachsen nach und nach den Kreditrahmen der Expo-Gesellschaft durch Aufstockung von Bürgschaften erhöht haben.

Von den erwarteten 957 Sponsoren-Millionen hat sich die Expo GmbH nach eigenen Angaben erst „755 Millionen Mark vertraglich sichern“ können. Ein Defizit von 400 Millionen sieht die Finanzplanung inzwischen ohnehin vor. Nicht eingeplante Kostensteigerungen sind bei Großereignissen dieser Art eher die Regel denn die Ausnahme. Wären am Ende nur Eintrittskarten für 30 Millionen Expo-Besuche verkauft, würde das Expo-Defizit gleich um weitere 400 Millionen Mark ansteigen.

Insgesamt hat die Expo GmbH einen Etat von 3,43 Milliarden Mark. Daraus musste und muss sie alles finanzieren, was innerhalb des Weltausstellungsgeländes stattfindet: die Bauten mit Ausnahme der Länderpavillons, auch des deutschen, das Programm von der großen Eigenausstellung, den Themenpark bis hin zum Rockstar. Und natürlich auch den eigentlichen Ausstellungsbetrieb. Größter Einnahmeposten ist neben dem Sponsoring der Kartenverkauf. Aus den Verkauf von 40 Millionen Karten will sie 1,6 Milliarden Mark erzielen. Im Durchschnitt soll jeder Expo-Besuch somit 40 Mark in die Kasse bringen. Das normale Tagesticket kostet zwar 69 Mark und an den Tageskassen am Gelände sogar noch 10 oder 20 Mark mehr. Aber es gibt auch verbilligte Karten nicht nur für Familien, sondern etwa auch für Schüler und Studierende zum Preis von 48 Mark, und an dem Erlös aus dem Kartenverkauf sind Wiederverkäufer wie die Bahn und andere Reiseveranstalter beteiligt. Bei der erwarteten Zahl von 40 Millionen Besuchern geht die Weltausstellungsgesellschaft davon aus, dass ein Teil der Expo-Fans mehrere Tage auf dem Gelände im Südosten Hannover verbringt und sich auch mehrere Tickets zulegen muss.

Birgit Breuel war gestern allerdings bei den Besucherzahlen sehr optimistisch. In den Monaten August, September und Oktober würden sehr viel mehr Gäste die Expo besuchen, als man zunächst erwartet habe, prophezeite die Generalkommissarin der Weltausstellung. Nach Umfrage von Infratest-Dimap planen 38 Prozent der Deutschen einen Weltausstellungsbesuch. Ob sich allerdings Expo-begeisterte Deutsche tatsächlich in Scharen auf den Weg nach Hannover machen, das weiß letztlich nur der Wettergott.

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