: Nur noch zehn Jahre Sommersmog
Das Kabinett beschloss gestern Katalog zur Minderung der Ozonbelastung. Doch der greift erst im Laufe der kommenden zehn Jahre. Deshalb müssen Ozonticket, Fahrverbote und Tempolimits her, fordern SPD- und Grüne Fraktion
von MATTHIAS URBACH
In zehn Jahren werden wir, so viel ist klar, kein Sommersmog-Problem mehr haben. Da sind sich alle einig. Dafür spricht der kontinuierliche Rückgang der Ozon-Spitzenwerte zum Beispiel durch die Katalysatortechnik in den vergangenen zehn Jahren um knapp ein Viertel. Und damit der Trend anhält, hat die Bundesregierung gestern in ihrer Kabinettssitzung beschlossen, weitere Maßnahmen zur langfristigen Verminderung der Schadstoffe Stickoxid und der flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) zu ergreifen – eben der Stoffe, die bei starker Sonne am Boden das Reizgas Ozon entstehen lassen.
Doch was passiert bis 2010? Zwar hält auch der Grüne Abgeordnete Winfried Hermann den Kabinettsbeschluss für „ambitioniert“. Die angepeilten Maßnahmen, wie eine vom Schadstoffausstoß abhängige Schwerverkehrsabgabe für LKW, höhere Steuern für abgasreiche Autos und – erstmals auch – Motoräder, seien alle richtig und nötig. Doch sie alle greifen erst im Laufe der Jahre. „Wir brauchen auch kurzfristige Maßnahmen“, sagt Hermann, „um etwas gegen die Spitzen zu tun.“ Und er ist sich da mit der SPD-Fraktion einig.
Ab einer Belastung von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft möchte Hermann eingreifen, ein Wert, den auch das Umweltministerium ursprünglich für Fahrverbote und Tempolimits eingeplant hatte. Solch starker Sommersmog trat im vergangenen Jahr an zwölf Tagen auf. Doch Trittin hält nichts mehr von seinem alten Vorschlag: Man habe sich belehren lassen. Fahrverbote für Autos ohne Katalysator seien nicht durchsetzbar und ein vorübergehendes Tempolimit bringe bloß eine „symbolische“ Entlastung. Trittins Fazit zu Hermanns Verlangen: „Man kann es machen, man kann es lassen.“
Das sehen die Fraktionen von SPD und Grünen freilich anders. Sie trotzten vorgestern im Kanzleramt Staatsminister Bury die Zusage zu Sofortmaßnahmen ab. Wie die nun genau aussehen, ist unklar. Heute gibt es ein weiteres Treffen. Die Fraktionen verlangen auch vorübergehende Tempolimits und Fahrverbote, weil nur im Bündel eine nennenswerte Entlastung bei sommerlichen Höchstwerten möglich sei. Bury dagegen schwebt allein ein Ozonticket vor, mit dem bei Sommersmog Erwachsene für den halben Preis (beziehungsweise zum Kindertarif) Bus und Bahn fahren dürften. Aber nur, falls die bis zu 15 Millionen Mark Einnahmeausfall täglich finanzierbar seien. Als er diese Position am Dienstagabend in der Fraktionssitzung der SPD präsentierte, hagelte es Protest. Doch auch der Kanzler kann sich seiner Sprecherin zufolge bloß „die eine oder andere kurzfristige Maßnahme vorstellen“.
Das im Kabinett beschlossene Programm sieht weiter vor, die Verwendung von Lösemitteln (auch VOCs) strenger zu regeln und der Chemie- und Druckindustrie eine Selbstverpflichtung abzuringen, mehr wasserlösliche Farben einzusetzen.
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