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Anrüchige Nachlässigkeit

Spendenskandal: Hamburger CDU stellte Spender Blankoquittung aus. Parteichef Fischer: „Lapsus“, Staatsanwalt ermittelt  ■ Von Sven-Michael Veit

Dirk Fischers Flehen fruchtete nichts. „Lassen Sie sich nicht beirren“, hatte der Hamburger CDU-Vorsitzende auf dem Landesparteitag am 19. Februar die Delegierten beschworen, „von Leuten, die Spenden als halbillegal und anrüchig diffamieren.“ Nur fünf Tage später stellte die Buchhaltung in der CDU-Landesgeschäftsstelle einem Gönner eine Blankobescheinigung aus: Die Höhe der Spende wurde nicht eingetragen (siehe Ausriss rechts). Dem Empfänger würde dadurch ermöglicht, eine überhöhte Summe einzutragen und beim Finanzamt als steuermindernd einzureichen.

Seit gestern ermittelt deshalb die Hamburger Staatsanwaltschaft unter dem Aktenzeichen 5100JS54/00 wegen des Verdachts der „Anstiftung bzw. Beihilfe zur Steuerhinterziehung“ gegen Parteigeschäftsgeführer Wulf Brocke, Landesschatzmeister Andreas Wan-kum und Buchhalterin Johanna K. Die zweite Unterschrift auf der Spendenbescheinigung Nr. 07/47893, die zum Teil vom CDU-Stempel überdeckt ist, stammt nach Fischers Angaben von CDU-Chefbuchhalter Manfred G.

Die Führungsetage der Elb-Union hatte zunächst entsetzt reagiert, als sie gestern von der taz hamburg mit diesem Sachverhalt konfrontiert wurde. „Dazu kann ich jetzt gar nichts sagen“, schluckte Geschäftsführer Brocke, den Vorgang müsse er erst prüfen. Und bat darum, „nicht gleich das Schlimmste zu denken“. Fischer stellte klar, dass es „eine Spendenquittung ohne Summe nicht geben darf“. Er werde der Sache sofort nachgehen. Der Fraktionschef in der Hamburgischen Bürgerschaft, Ole von Beust, fiel aus allen Wolken: „Ich habe keinen Schimmer.“ Er hoffe inständig, dass es sich „um ein einmaliges, peinliches Versehen“ handele: „Wir müssen das klären.“

Die sofort eingeleite interne Prüfung habe ergeben, so Fischer am späten Nachmittag zur taz, dass es sich um „eine Nachlässigkeit in einem Einzelfall“ handele. Durch einen „doppelten Bearbeitungsfehler“ sei es zu diesem „Lapsus“ gekommen. Er sehe jedoch „keine Veranlassung für Maßnahmen gegen die Mitarbeiter“. Selbstverständlich sei es „nicht gängige Praxis“, Blankobescheinigungen auszustellen, sondern „ein bedauerlicher Einzelfall“. Die CDU werde der Staatsanwaltschaft „sämtliche Spendenunterlagen zur Verfügung stellen“, wenn diese es wünsche.

Die Spendenquittung vom 24. Februar für das CDU-Mitglied H. war erst Ende März an eine nicht existierende Adresse in St. Pauli – Stresemannstraße 29a – geschickt worden. Ein offenbar ratloser Postbote steckte den Umschlag in der Nr. 29 ausgerechnet in den Briefkas-ten der Bürgerschaftsgruppe „Regenbogen“. In deren Büro wurde er versehentlich geöffnet. Im Auftrag von Regenbogen-Pressesprecher Marco Carini erstattete nach umfänglicher juristischer Prüfung schließlich Rechtsanwalt Ulf Dreckmann am 28. April bei der Staatsanwaltschaft Anzeige (siehe weitere Berichte Seiten 1 und 6).

Wenn es sich „nicht um einmalige Schlamperei“ handele, so Carini, „sondern um ein gängiges Verfahren“ der Hamburger CDU, liege der Verdacht auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung „nahe“. Er erwarte umfassende Aufklärung seitens der Staatsanwaltschaft wie der CDU.

Parteichef Dirk Fischer sieht noch einen weiteren klärungsbedürftigen Umstand: Er erwägt eine Anzeige gegen Carini „wegen Verletzung des Briefgeheimnisses“.

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