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Küchenasyl statt Kirchenasyl

In wenigen Wochen soll das Arbeitsverbot für Asylbeweber aufgehoben werden. SPD stellt Forderung: Asylbewerber müssen mindestens anderthalb Jahre hier sein. Gaststätten und Hotels suchen händeringend Hilfskräfte

aus BerlinBARBARA DRIBBUSCH

Die Kneipenbesitzer schöpfen Hoffnung. Jetzt, wo sie nur noch schwer nebenberufliche 630-Mark-Jobber finden, sind ausländische Arbeitskräfte ein Rettungsanker. „Wir haben Asylbewerber als sehr motivierte Mitarbeiter kennengelernt“, lobt Annette Heinemann, Sprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Dass das generelle Arbeitsverbot für Asylbewerber demnächst fallen soll, begrüße man „außerordentlich“.

Bis zum Sommer will eine Arbeitsgruppe beim Bundeskanzleramt neue Jobregelungen für Asylbewerber gefunden haben. Dann werde das bisher geltende generelle Jobverbot „vom Tisch sein“, erklärte gestern Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und Mitglied der Arbeitsgruppe.

Seit 1997 gilt für Asylbewerber ein generelles Arbeitsverbot, der so genannte Clever-Erlass. Fällt dieses Verbot, können Asylbewerber einen Job annehmen, wenn sie einen Betrieb finden, der beim Arbeitsamt einen entsprechenden Antrag stellt. Setzt sich die SPD durch, dürften allerdings nur AsylbewerberInnen mit einer Aufenthaltsdauer von mindestens anderthalb Jahren einen Job beginnen. Die Grünen wollen hingegen eine Wartezeit von nur wenigen Monaten einführen. Über einen Kompromiss wolle man „in den nächsten Wochen verhandeln“, sagte Bernd Knopf, Sprecher der grünen Ausländerbeauftragten Marieluise Beck.

Unbestritten zwischen SPD und Grünen ist jedoch, dass grundsätzlich für Asylbewerber das Prinzip der „Nachrangigkeit“ gelten soll. Demnach dürfen Asylbewerber auch nach einer Wartefrist nur dann einen Job annehmen, wenn sich dafür kein geeigneter Bewerber aus Deutschland oder der EU findet.

In der Praxis bedeutet dies, dass ein Asylbewerber, der einen Job aufgetan hat, mit seinem Arbeitgeber beim Arbeitsamt einen entsprechenden Antrag stellt, den die Arbeitsämter erst einige Wochen prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung schicken die Arbeitsämter dann auch deutsche Joblose bei dem Unternehmen vorbei, um zu sehen, ob sich die Stelle nicht zuerst an einen Deutschen vergeben lässt.

„Diese vier- bis sechswöchigen Prüfungen schieben das Ganze nur hinaus“, kritisiert Heinemann vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. Meist fände sich kein Deutscher, der den Job machen wolle.

In Nordrhein-Westfalen gebe es sogar eine pauschalierte Negativliste mit Jobs, die grundsätzlich nicht an Asylbewerber vergeben werden sollen, weil es sich um Hilfstätigkeiten handele, für die man auch Deutsche einsetzen könnte, sagt Christoph Kannengießer, Arbeitsmarktexperte bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Das ist problematisch.“

Kommentar SEITE 11

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