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Abwickel-Quote: Hundert Prozent

tm3-Sportredaktion steht nach Verlust der Champions League vor dem Aus. Die Zukunft der Mitarbeiter ist ungewiss, und Hamburg verliert weiteres TV-Aushängeschild  ■ Von Marcus Vogt

Wenn der Schiedsrichter am Mittwoch das Champions-League-Finale abpfeift, wird es neben einem spanischen Fußballmannschaft auch einen Verlierer in Hamburg geben: die Sportredaktion des Übertragungssenders tm3. Denn das Spielende bedeutet auch den Schlusspfiff für das 40-köpfige Team und seine freien Mitarbeiter. Sie werden nicht mehr gebraucht, da tm3-Besitzer Rupert Murdoch die Übertragungsrechte der „Königsklasse des europäischen Fußballs“ (tm3-Werbung) ab der kommenden Saison an RTL und den Abo-Sender Premiere World weiterreichte, obwohl er diese erst im Mai 1999 für 850 Millionen Mark für vier Jahre erworben hatte. Murdoch, de facto Alleinherrscher bei tm3, nutzte die Übertragungsrechte als As im Ärmel in seinem Einstiegspoker bei Premiere World, dem Bezahl-Sender seines Konkurrenten Leo Kirch.

Bislang gibt es von Seiten Murdochs und tm3-Geschäftsführers Jochen Kröhne noch keine konkreten Pläne, wie es mit der Sportredaktion weitergehen soll, geschweige denn präzise Job-Angebote für die Angestellten. So ist offiziell noch nicht einmal bekannt, ob die Redaktion abgewickelt werden soll, aber alle Angestellten rechnen mit dem vorzeitigen Ende ihrer Tätigkeit.

Mit hohen Gehältern und dem Versprechen, mindestens vier Jahre lang qualitativ hochwertige Sport-sendungen produzieren zu dürfen, waren die MitarbeiterInnen geködert worden. Viele kündigten deshalb gut dotierte Festanstellungen, unterzeichneten im Vorjahr Zwei- oder Vierjahresverträge beim damals als „Frauensender“ belächelten TV-Drittligisten. Ihr Auftrag: Durch die Champions League die Quote (damals circa 0,8 Prozent) in die Höhe zu treiben und den Mini-Sender in die 1. Reihe der deutschen Fernsehsender zu hieven.

Als die Belegschaft im Januar von Murdochs Plänen erfuhr, reagierte sie zunächst mit Enttäuschung, dann mit Flucht in die Arbeit. „Business as usual war angesagt“, so Volker Dressel, Sprecher in Sachen Sport. Inzwischen herrscht Gewissheit über das Aus, die MitarbeiterInnen hängen in der Luft.

Noch herrscht Trotzhaltung im Team: Die Angestellten geben sich kämpferisch und führen ihre Arbeit trotz der demotivierenden Umstände professionell fort. Aber alle warten auf konkrete Angebote der Geschäftsleitung. Zum Beispiel auf Aufhebungsverträge, und die sollten am besten noch vor dem Finale am Mittwoch vorliegen.

Für einige wäre es bereits die zweite Abwicklung: Als ArbeitnehmerInnen von RTL, SAT 1 oder Premiere haben sie bereits Erfahrung mit dem kurzfristigen Absetzen von Sendekonzepten gemacht. Was aus jetziger Sicht auch eine positive Wirkung zeigt: Die KollegInnen gehen relativ gelassen mit der Situation um. Und malen sich gute Chancen aus, ihr Arbeitsende mit einer Abfindung zu versüßen. Hamburgs Arbeitsrechtler könnten bald eine Menge zu tun bekommen.

Wie hoch auch immer mögliche Abfindungen ausfallen, die Frage nach der beruflichen Zukunft bleibt. Diejenigen, die ihren Arbeitsplatz nicht an Hamburg binden, haben in Sachen Sport noch die besten Chancen, anderweitig unterzukommen. Diejenigen hingegen, die Sport in Hamburg fürs Fernsehen machen wollen, haben schlechte Karten: In der Hansestadt existieren keine weiteren TV-Sportredaktionen, abgesehen vom NDR sowie RTL, das ein kleines Regionalbüro unterhält. Spekulationen, dass Premiere World ein Regionalbüro in Hamburg etabliert, haben sich zerschlagen.

Murdochs Pläne tangieren nicht nur die Sportredaktion. Auch Studio Hamburg, auf dessen Gelände das tm3-Team residiert, rechnet nach eigenen Angaben mit circa 20 direkt oder indirekt betroffenen Arbeitsplätzen. Mit Umschichtungen wollen die Betreiber dem Personalabbau entgegenwirken. Ob dies nach dem Weggang von Großkunden wie MTV, SAT 1 und Premiere möglich ist, bleibt fraglich, zumal die Beschäftigtenzahl in diesem Jahr bereits um 40 Personen gegenüber 1999 zurückgegangen ist. Die Geschäftsführung von Studio Hamburg bezeichnet die Lage nach dem Abgang der größeren Sender als „über alles gesehen gut, aber nicht mehr so optimal wie vor dem Eintritt dieser Situation“.

Zurückhaltend reagiert Hamburgs Wirtschaftsbehörde auf den zu erwartenden tm3-Abpfiff. Sie bezog bislang keine Stellung mit der Begründung, dass es von Seiten des Senders noch keine offizielle Verlautbarung zu seinem kommenden Format und zur Zukunft der Sportredaktion gebe. Behördensprecher Bernd Meyer: „Die Wirtschaftsbehörde will nicht zu den Totengräbern gehören.“ Das Einstampfen der Sportredaktion wäre ein Rückschlag für Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD), der die Produktion der tm3-Fußball-Übertragungen in der Hansestadt vor wenigen Monaten zum Champions-League-Auftakt noch freudig begrüßte und als wichtig für den Standort Hamburg bezeichnete.

Hamburgs selbstverliehener Ruf als „Medienhauptstadt“ leidet, im TV-Bereich haben München, Köln und Berlin die Nase vorne. Allein der Umzug des Abo-Senders Premiere nach München im Vorjahr kostete über 500 Arbeitsplätze. Gebracht hat es Premiere World nichts: Der Bezahl-Kanal schreibt nach wie vor tief-rote Zahlen und gewinnt kaum neue Kunden. Im Gegensatz dazu klingen die tm3-Zahlen geradezu sensationell: Das Halbfinal-Rückspiel zwischen Bayern München und Real Madrid sahen 8,96 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 41 Prozent entspricht. Quoten, von denen mancher Sender nur träumt.

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