: Das Peter-Prinzip
Wird ein Angestellter der Bauverwaltung die Topographie des Terrors entwerfen? Bausenator Peter Strieder gegen den Architekten Peter Zumthor
Es klingt schon fast euphemistisch, wenn Reinhard Rürup, Direktor des „Internationalen Dokumentationszentrums Topographie des Terrors“, über das staubige Areal der geplanten NS-Gedenkstätte an der Berliner Wilhelmstraße führt: „Wir haben ein klares Konzept für den Neubau des Ausstellungsgebäudes. Die Topographie ist eine eingeführte Institution mit jährlich 150.000 Besuchern. Und es liegt ein preisgekrönter Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor auf dem Tisch.“ Derzeit wird Rürups Optimismus auf eine harte Probe gestellt. Denn er sieht die „Katastrophe“ über die Topographie des Terrors heraufziehen: Man könne „nur mit Unverständnis“ auf die Aussagen von Berlins Bausenator Peter Strieder reagieren, der Zumthors Planung in Frage gestellt hat. Eine Verabschiedung davon bedeute nicht nur die Zerstörung einer qualitativ hochstehenden Architektur. Die Gesamtheit des neuen Berliner Gedenkstättenprogramms – das vorgesehene Holocaust-Mahnmal, das Jüdische Museum und die Topographie des Terrors – würde konterkariert; zumal Kulturstaatsminister Naumann der Topographie, anders als dem Jüdischen Museum, keine zusätzlichen Mittel in Aussicht gestellt hat.
Zweifellos markiert die Feststellung des Bausenators einen neuen Höhepunkt im Streit um die Gedenkstätte. Vorausgegangen war im April 2000 der faktische Baustopp für das spektakuläre Projekt auf dem Gelände der ehemaligen Gestapo-Zentrale, vom Haushaltsausschuss des Landes mit zu hohen Kosten begründet. Bis auf drei Treppentürme ist auf der Baustelle gegenüber dem Landtag nichts fertig gestellt. Ein immobiler Kran zum Aufbau der komplizierten „Stabwerkskonstruktion“ des 125 Meter langen Dokumentationszentrum zur SS-Geschichte symbolisiert die Lage: Es herrscht Bewegungslosigkeit auf der Baustelle.
Der Ruhe vor Ort ist nun der lautstarke Streit um die Finanzierung des Projekts gefolgt, sind doch die veranschlagten Kosten zwischen 1993 und 2000 von 36 Millionen auf 45 und schließlich auf geschätzte 70 Millionen Mark angestiegen. Der Bausenator, dessen Verwaltung einst die Summe von 45 Millionen Mark auf der Grundlage „ungeprüfter Bauplanungsunterlagen“ festgeschrieben hatte, geht dabei kaltschnäuzig in die Offensive. Der Architekt, tönt Strieder, sei „ein Künstler“, was ihm reicht, die Topographiepläne abzuwerten. Zwar sei Zumthor aufgefordert worden, bis zum Sommer eine niedrigere Kalkulation vorzulegen. Doch zugleich würden „Alternativen“ für ein weniger kostspieliges Bauwerk geprüft und über „andere Architekten“ nachgedacht.
Die Katastrophe, von der Rürup spricht, nämlich der Verlust einer integralen Einheit von Architektur und inhaltlichem Konzept, kann der Bausenator nicht erkennen, ihm ist „die Topographie wichtiger als die Architektur“. Strieder weigert sich, die Haltung der Stiftung zu teilen, die Zumthor – Preisträger des Mies-van-der-Rohe-Preises und Erbauer des Schweizer Expo-Pavillons – in der Reihe namhafter Architekten sieht. Die „zentralen Gedenkstätten der Hauptstadt werden von Daniel Libeskind und Peter Eisenman errichtet“, kommentiert Rürup die Ignoranz der Bauverwaltung. Nicht auszudenken sei, welche „verheerende Wirkung“ es für die Bedeutung des „Gedenkstätten-Dreiecks“ hätte, „wenn ein Angestellter der Bauverwaltung die Pläne für die Topographie des Terrors zeichnet“.
Dass es tatsächlich zum Verlust eines Eckpfeilers in der Geometrie der Berliner Erinnerungskultur kommen könnte, wenn das Land sich politisch nicht klar für Zumthors Planung entscheidet, erscheint umso wahrscheinlicher, als sich der Architekten selbst wenig kompromissbereit gibt. „Das Programm der Ausstellung“, legt sich Zumthor fest, „erfordert diese Konstruktion.“ Mit niedrigeren Kosten könne auch darum nicht gerechnet werden, da jedes Museum „dieser Größe genau diesen Preis“ erfordere: diesen Preis „und dass Berlin sagt, wir wollen genau das“. Mehr nicht. ROLF LAUTENSCHLÄGER
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