: Biotechnik versus Naturgrün
In Prenzlauer Berg wird auf einer der letzten Brachen ein Zentrum für Biotechnikfirmen errichtet. Dabei springt auch ein Park heraus. PDS bis CDU bejubeln den Kompromiss. Doch die Anwohner hätten lieber Natur pur statt Biotechnik gehabt
von GEREON ASMUTH
Die PDS bejubelt den Kompromiss. Die Grünen spechen von einem „Glücksfall“. Ebenso CDU und SPD. Und selbst Werner Orlowsky, in den 80er-Jahren grüner Baustadtrat in Kreuzberg und am Montagabend Moderator des 25. „Stadtforums von unten“, meint, dass es „eigentlich nichts mehr zu meckern gebe“. Schließlich gebe es nach breiter Diskussion einen von allen Parteien im Bezirksparlament getragenen Beschluss.
Demnach soll eine der letzten großen Brachen in Prenzlauer Berg zu drei Vierteln als Erweiterung für zwei Biotechnikfirmen genutzt werden. 3.000 Quadratmeter ihres zukünftigen Privatarreals wollen die Investoren zwischen Kastanienallee, Schwedter und Oderberger Straße öffentlich zugänglich halten. Das soll sogar in einem Vertrag mit dem Bezirk besiegelt werden. Auf weiteren 3.000 Quadratmetern wird ein Spielplatz entstehen.
Dennoch sind die Anwohner unzufrieden. Matthias Heyden, Sprecher der Bürgerinitiative „Schwedter Stadtpark“, wollte nicht nur die gesamten bisher bundeseigenen 12.000 Quadratmeter als Grünfläche. Auch den Ausverkauf öffentlicher Grundstücke lehnt er rundweg ab. Trotz leerer Haushaltskassen. Orlowsky versteht die Debatte daher als Symbol für den Umgang mit öffentlichen Flächen.
Im 1992 aufgestellten Rahmenplan für das Sanierungsgebiet war eine öffentliche Nutzung vorgesehen. Doch die geplanten Schulbauten sind längst überflüssig. Dafür hat das Gebiet einen enormen Bedarf an Grünflächen. Und das war die Brache ursprünglich. 1854 entstand hier der Marthashof, eine „Zufluchtstätte für ehrbare Mädchen“. Erst 1971 wurde dort die DDR-Außenhandelsgesellschaft Ko-Impex angesiedelt – in asbestbelasteten Flachbauten.
Die will der Investor jetzt beseitigen. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, argumentiert der junge Biotechniker Arno Braun, dessen Firmen derzeit neben der Brache residieren. Gerade die „weichen Faktoren“, also Gastronomie und Kultur, machten den Standort für seine Mitarbeiter attraktiv. Andere Objekte im Bezirk seien trotz des unübersehbaren Gewerbeleerstandes nicht greifbar. „Der Bezirk wird vom Erfolg überrollt“, freut sich Wirtschaftsstadträtin Ines Saager (CDU).
„Nur wenn man den Verwertungsdruck der öffentlichen Hand akzeptiert, ist der Kompromiss tragbarer“, meint schließlich ein Zuhörer aus dem Publikum. Unberücksichtig blieben jedoch die unter dem Schlagwort „Gentrification“ bekannten Nebeneffekte: Aufstrebende Unternehmen locken Szene-Gastronomie in den Kiez, die wiederum aufstrebende Menschen in die teurer werdenden Wohnungen ziehen. Doch seine Kritik wird nicht aufgegriffen. Wirtschaftsstadträtin Saager schlendert später mit der Frage, ob es denn hier eine Kneipe gebe, in Richtung der unzähligen Straßencafés.
Heyden bezeichnet derweil die Baupläne des Investors als „unglaublich“. Die versprochenen öffentlich zugänglichen Flächen liegen zum Großteil zwischen den geplanten Neubauten der Biotechniker. „Das verlockt nicht gerade zum Hinsetzen“, meint der Anwohner-Aktivist. Mit entsprechendem Druck, vor allem durch die Parteien, glaubt Heyden, hätte man den Bund vom Verkauf des Grundstücks abbringen können. Langfristige Pachtverträge hätten Geld gebracht, auch ohne die Fläche zu privatisieren.
„Es wird immer schwerer, fundamentalistisch zu sein“, bedauert Werner Orlowsky, der während der Diskussion nur zaghaft kritisierte, wie sehr Grüne und PDS schon „in der neuen Mitte“ angekommen seien. Vor 10 Jahren hätten die Grünen den Kompromiss als „Quatsch“ abgetan, meint Orlowsky, und einen Park ohne Biotechnologen gefordert.
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