: Fischöl in Brötchen in Fischtown
■ Bremerhaven zeigt sich zur Expo mit modernster Lebensmitteltechnik / Die Nutzung von Reststoffen soll Umwelt und Gesundheit zugute kommen
Vielleicht ist es das Expo-Projekt mit dem kryptischten Namen: Wer weiß schon, dass „Omega 3“ für mehrfach ungesättigte Fettsäuren steht? Menschen haben davon oft zu wenig, weil ihr Körper sie nicht selbst produzieren kann. Das führt dann zu Arterienverkalkung und im Extremfall zum Tod durch Gehirnschlag. Fische dagegen haben viele Omega-3-Fettsäuren. Und Bremerhaven, nach den Worten von Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) Europas größte Fischküche, hat viel Fisch. Vor allem viel Fischabfälle – weil der Konsument immer häufiger nur das Filet abnimmt.
Gerd Klöck hört das Wort „Abfälle“ gar nicht gern. Für ihn handelt es sich um ungenutzte Rohstoffe. Sein „Bremerhavener Institut für Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik“ (BILB) arbeitet an Wegen, sie nutzbar zu machen. „Im Grunde hat meine Oma nicht viel anders gewirtschaftet. Da blieb auch nichts übrig“, sagt der Biochemiker. Nur muss bei den heutigen Konsumgewohnheiten die Resteverwertung an anderer Stelle einsetzen.
Fettsäuren aus Fischen sind da nur ein Beispiel von vielen. Sie werden isoliert und anderen Lebensmitteln zugesetzt – sozusagen als Gesundheitsbonus. Zum Beispiel Chips, die reichlich von den „bösen“ gesättigten Fettsäuren enthalten: Mit den zusätzlichen Omega-3-Fettsäuren könnte die Gesundheits-Bilanz der hemmungslosen Knabberei zumindest ausgeglichen werden – Genuss ohne Reue, sozusagen. Gänzlich positiv fiele sie bei Brötchen mit Omega-3-Zusatz aus. Das Frühstücksbrötchen wird zum Gesundheitsprodukt, soll aber nicht wie bittere Medizin schmecken. Um das Fischtran-Aroma auszuschalten, bedarf es einiger Zwischenschritte: Das Öl wird in feinste Tröpfchen zerstäubt. Die werden dann in aushärtendem Fett verkapselt – schmilzt im Magen, nicht im Mund!
Klöck betont, die Biotech-Forschung des BILB habe nichts mit Gentechnologie zu tun: „Da bietet die Biotechnologie viel interessantere Möglichkeiten.“ Trotzdem weiß er, dass seine Produkte ein Akzeptanzproblem haben. Was ihre Ernährung angeht, sind die meisten Menschen erzkonservativ. Deshalb nutzt das BILB die Expo für eine Charmoffensive bei der potenziellen Kundschaft.
Im „Schaufenster Fischereihafen“ gibt eine Art Messestand Einblick in Forschung und Entwicklung des Instituts, das Auftragsforschung mit knapp 100 Partnern in 30 europäischen Ländern macht. Am Infostand können Mutige die neuen Snacks und Backwaren schon probieren. Wer es genauer wissen will, kann nach Anmeldung im 50 Meter entfernten Technologie-Transfer-Zentrum hinter die Kulissen des BILB-Labors schauen. Mindestens eine Führung am Tag will Klöck anbieten, „aber letztlich hängt das vom Interesse ab. Zur Not muss ich noch ein paar Praktikanten einstellen“, sagt der Technische Direktor. Das Projekt sei aber nicht nach der Expo beendet. Auch danach gebe es noch eine eingeschränkte Besuchsmöglichkeit. Neben Imagepflege für das Institut ist das für Klöck auch eine Form des Standortmarketings in einer Stadt, die schon jeden zweiten gewerblichen Arbeitsplatz in der Lebensmittelindustrie bietet.
In der Fischstadt drängte sich Omega 3 als Expo-Projekt auf. Aber von den zahlreichen Forschungsvorhaben des BILB hätten sich laut Klöck andere ebenso geeignet. Sie werden darum bei der Führung durchs Labor mit vorgestellt. Ob biologisch abbaubare Marmeladenglas-Deckel, Proteingewinnung aus Abwässern der Stärkeproduktion, Weizen-Kleber zur Beschichtung von Papptellern oder unter Luftabschluss gerührter Brotteig ohne Antioxidationsmittel – alles Innovationen, die zu einer nachhaltigeren Nahrungsmittel-Wirtschaft beitragen könnten. not
1. Juni bis 31. Oktober, täglich 9 bis 16 Uhr im Schaufenster Fischereihafen, Führungen nach Vereinbarung. Eintritt frei.
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