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NRW: Grüne wollen nicht erröten

Bärbel Höhn fährt in den Koalitionsverhandlungen weiter einen Kompromisskurs, doch nicht nur die Basis verliert die Geduld: Kölner Grüne wollen eine Bedenkpause, die Berliner Fraktionschefin Kerstin Müller fordert eine klare Entscheidung Clements

Aus Düsseldorf PASCAL BEUCKER

Den Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen in Düsseldorf droht das Scheitern. Bei den Grünen wächst der Eindruck, dass Ministerpräsident Wolfgang Clement nicht an einer ernsthaften Einigung mit dem kleinen Partner interessiert ist.

„Die SPD muss sich noch bis zum Wochenende entscheiden, ob sie wirklich diese Koalition will, oder ob sie mit den Möllemanns dieser Erde liebäugelt“, forderte die grüne Fraktionsvorsitzende im Bundestag Kerstin Müller. Wenn beide Parteien wirklich einen Neuanfang der Koalition wollten, müsse sich im Koalitionsvertrag auch eine „dicke grüne Handschrift“ wieder finden, sagte Müller, die der grünen Verhandlungskommission angehört. Heute Nachmittag treffen sich die Delegationen von SPD und Grünen zu ihrer fünften Verhandlungsrunde. Das für gestern geplante Treffen war abgesetzt worden, um zunächst in Fachgruppen Einigungen in den zwischen den Parteien strittigen Fragen zu finden.

Zentraler Knackpunkt ist weiter die Verkehrspolitik. Während die Grünen bereits ihre Bereitschaft zu weit reichenden Kompromissen beim Autobahn- und Flughafenausbau erklärt haben, scheint Ministerpräsident Wolfgang Clement weiterhin zu keinerlei Zugeständnissen bereit zu sein. Während die Mehrheit der zwölfköpfigen SPD-Delegation für eine Fortsetzung des rot-grünen Bündnisses eintrete, wolle Clement zusammen mit Wirtschaftsminister Peer Steinbrück, dem SPD-Fraktionschef Edgar Moron und dem Chef der Staatskanzlei Georg Wilhelm Adamowitsch anscheinend die Verhandlungen an die Wand fahren lassen, heißt es aus Kreisen der grünen Verhandlungskommission. Auch in der SPD-Verhandlungsgruppe spottete bereits ein Mitglied, wenn man Clement zu Abrüstungsverhandlungen schicke, käme er mit einem bewaffneten Konflikt zurück. Der wies den Vorwurf zurück, er wolle die Grünen an die Wand drücken. „Im Straßenbau, im Flugverkehr und in der Energiepolitik gibt es nichts zu drücken, sondern zu entscheiden“, sagte der Ministerpräsident. Es müssten „Bremsklötze beseitigt und gute Entwicklungen in Gang gesetzt“ werden.

Die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn, deren angebliche „Blockadepolitik“ in der vergangenen Legislaturperiode in der Verhandlungsrunde am Mittwoch von Steinbrück und Adamowitsch scharf und ruppig kritisiert worden war, sieht weiterhin Chancen für eine Einigung. So würden sich die Grünen beispielsweise „einem Ausbau der Flughäfen verweigern, wenn gleichzeitig der bestmögliche Lärmschutz verwirklicht wird“. Davon halten die Grünen im Rheinland jedoch wenig. Die Formulierung „bestmöglicher Lärmschutz“ biete keinerlei Sicherheit für die Anwohner, kritisiert deren Bezirkschef Klaus Wolf. „Das ist kein Begriff, der politisch einklagbar ist.“

Auch der grüne Fraktionsvorsitzende im Rhein-Sieg-Kreis, Horst Becker, warnte: „Die SPD muss wissen: Die Grünen machen nicht jede Dummheit mit.“ Die Kölner Grünen fordern sogar eine Aussetzung der Verhandlungen, um ein parteiinternes Fazit zu ziehen. Die bislang bekannt gewordenen Ergebnisse „machen deutlich, dass die SPD-Führung unter Clement in allen relevanten Fragen des Wirtschafts- und Verkehrssektors ‚Rot pur‘ durchgesetzt hat“, konstatierte der stellvertretende grüne Ratsfraktionsvorsitzende Jörg Frank. „So wie die Dinge stehen, ist das Ende der Fahnenstange erreicht und muss ernsthaft über einen Abbruch der Koalitionsverhandlungen nachgedacht werden“, forderte der grüne Kommunalpolitiker. Am Sonntag trifft sich der grüne Landesparteirat in Essen, um über den bisherigen Verlauf der Koalitionsverhandlungen zu beraten.

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