„Was kostet die Gurke? 3,60 Mark? Ach!“

Bio-Frust statt Bio-Lust: Ökologischer Landbau stagniert im Norden  ■ Von Wolfgang Schmidt

Beim ökologischen Landbau ist sogar das schwarze Bayern dem rot-grünen Schleswig-Holstein voraus – ein Ärgernis für Landwirtschaftsministerin Ingrid Franzen (SPD). Trotz politischer Prioritäten stecken die Öko-Bauern im Norden unverändert in einer kleinen Nische: Mit 16.500 Hektar kommen sie mit ihren 300 Betrieben nur auf einen Flächenanteil von 1,6 Prozent. In der Auf-und-Ab-Bewegung der vergangenen Jahre sieht Konrad Mehrens aus Neumünster-Einfeld seine Zunft derzeit auf dem „abknickenden Ast“, an den sich vor allem noch Idealisten klammern: „Wenn man keinen Spaß dran hat, macht man lieber heute die Pforte zu als morgen.“

Mehrens führt die Stagnation in erster Linie auf die Konkurrenz durch größere Betriebe in den neuen Ländern zurück, die im vergangenen Jahrzehnt auch mit kräftiger Finanzhilfe auf „Öko“ umstellten. Das sieht auch Egbert Nitsch aus Ellerdorf bei Rendsburg nicht anders, der mit Mehrens Seite an Seite auf einem Kieler Wochenmarkt seine Produkte verkauft und jahrelang für die Grünen im Europaparlament und im Bundestag grüne Agrarpolitik gemacht hatte. Auch die französische Konkurrenz entdeckt nach Beobachtung Nitschs zunehmend den interessanten deutschen Öko-Markt.

„Was kostet die Gurke? 3,60 Mark? Ach ja.“ Die Marktkundin legt das gute Stück wieder hin. „Sind Öko-Produkte zu teuer?“ – Mehrens und Nitsch verneinen das ohne Zögern. „Eher sind konventionelle Erzeugnisse zu billig“, meint Nitsch. „Wir machen ja schon Zugeständnisse, damit wir einigermaßen Umsatz schaffen“, ergänzt Mehrens, der einen 35-Hektar-Betrieb mit Gemüse, Kartoffeln und Getreide betreibt.

Er war vor 27 Jahren auf „Öko“ umgestiegen, weil er darin eine Chance sah und die Chemisierung nicht mehr mitmachen wollte. In den siebziger Jahren seien viele noch euphorisch gewesen, sagt Mehrens. „Was können wir ändern auf dieser Erde?, haben sich viele damals gefragt.“ Dieser Idealismus sei jetzt weg.

„Vereinzelt werden Öko-Betriebe auch schon aufgegeben“, erzählt Mehrens. Dies könnte auch mit der Plackerei zu tun haben, die gerade auf die Jüngeren nicht gerade anziehend wirkt. „Ich bin jetzt meist morgens ab fünf auf dem Feld, schneide Salat und Spinat und dann geht es je nach Witterung bis abends um acht oder neun – und das in der Regel sieben Tage die Woche.“ 80 bis 90 Wochenstunden kommen da locker zusammen. „Meine beiden Söhne haben erst einmal andere Berufswege eingeschlagen, die ihnen auch mehr Freizeit ermöglichen“, berichtet der 51-Jährige. „Wir haben noch keinen Nachfolger.“

Und was ist mit der Vermarktung? „Ihr müsst rein in die ganz normalen Supermärkte!“ – das ist der Rat, den die Politiker den Öko-Bauern seit Jahren geben. Doch die sind skeptisch, zumindest ein Teil von ihnen will sich nicht in die Abhängigkeit von großen Ketten begeben. „Die wollen Verträge machen nach der Art: Seit 1. April liefern Sie jede Woche 1000 Kohlrabis. Und wenn ich das nicht einhalte, muss ich Konventionalstrafe zahlen“, argumentiert Mehrens. Auch Nitsch hält den Weg in die Supermärkte für gefährlich – wegen der Abhängigkeit von wenigen Chefeinkäufern. „Ich traue auch der Qualität des Supermarkt-Managements nicht zu, ökologische Produkte richtig zu handeln.“