: Post bekommt Prädikat für Chancengleichheit
Der Verein Total E-Quality zeichnet neue Unternehmen aus, die die Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz fördern
BERLIN taz ■ Kann ein Unternehmen sich das leisten? Elftausend Beschäftigte in Erziehungs- oder sonstwie „familienbedingten“ Urlaub zu schicken – in einer Zeit, wo Wirtschaftsverbände 50 und mehr Stunden Wochenarbeitszeit fordern? Es kann. Wenn die Männer und Frauen an der Spitze das wollen. Wenn es eine Stabstelle gibt, wo man sich Gedanken machen kann, wie die Arbeitszeiten flexibler zu organisieren und die Aufgaben anders zu verteilen sind.
Das hat die Deutsche Post AG, die die „Wiedereingliederung in das Berufsleben“ zu ihrem vordringlichen internen Projekt erklärt hat, jetzt vorgemacht. Für ihre Gleichstellungspolitik hat sie nun das Prädikat „Total E-Quality“ bekommen. Zum ersten Mal. Ebenso wie das Versicherungsunternehmen ERC Frankona und die Volkswagen Bank GmbH.
Der Verein Total E-Quality e. V. wurde 1996 von Frauen, aber auch Männern aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und den Tarifparteien gegründet. Zweimal pro Jahr vergibt er eine Auszeichnung an Unternehmen und Organisationen, die sich durch ein Personalmanagement verdient gemacht haben, das sich an der Chancengleichheit von Frauen und Männern orientiert – beispielsweise mit innovativen Arbeitszeitmodellen, Mentoring oder Betriebskindergärten.
Das Prädikat gilt für drei Jahre. Danach müssen die Bewerber nachweisen, dass sie ihren Zielen wieder ein Stück näher gekommen sind. Fast 50 Unternehmen haben es bislang erhalten.
Das Ende der ersten Dreijahresperiode nutzten Vorstand und Beirat zu einer ersten Auswertung. Zentrale Frage: Lohnt sich Chancengleichheitspolitik? „Unbedingt“, sagt Traudel Klitzke, Gleichstellungsbeauftragte bei der Volkswagen AG und Vorstandsmitglied bei Total E-Quality. Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse habe kaum jemand aus den prämierten Betrieben über Geld gesprochen, obwohl Konzerne mit bis zu sechsstelligen Summen rechnen müssten.
Statt dessen stellten die meisten Befragten den Nutzen in den Vordergrund: Personal werde besser genutzt, Beschäftigte und Unternehmensbereiche arbeiteten besser zusammen. Nach außen hin könne man mit dem Ansatz werben, das verbesserte Image zahle sich sowohl beim Absatz als auch beim Anwerben von neuen Beschäftigten aus.
Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Einige der ehemaligen Prädikatsträger haben sich kein zweites Mal beworben. Einer davon mit der Erklärung, man habe „das Projekt“ inzwischen beendet und brauche die Zertifizierung nicht. Bei einem anderen haben die Söhne, die das Unternehmen von ihrer Mutter übernommen haben, „andere Prioriäten gesetzt“.
Bessere Argumente erhofft sich der Vereinsvorstand von einer Untersuchung, bei der es um die Auswirkung von Total-E-Quality-Management auf börsennotierte Unternehmen gehen soll. „Ich bin der festen Überzeugung“, sagt Vereinsvorsitzende Eva Maria Roer, „dass Gleichstellungsmaßnahmen auch den Unternehmenswert erhöhen.“
Nicht allen Frauen bei Total E-Quality reicht der freiwillige Ansatz. „Bislang stehen Managerinnen und hoch qualifizierte Frauen im Vordergrund“, so Klitzke. An der großen Masse der Frauen gingen viele Maßnahmen vorbei. Deswegen drängt sie auf gesetzliche Regelungen: eine Vergaberichtlinie, die es ermöglicht, öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die Frauenförderung betreiben, und ein Gleichstellungsgesetz, das Chancengleichheit auch in der Ausbildung und im Beruf einklagbar macht. Die Bezahlung ist ein weiteres Thema. Denn trotzFortschritten bei der Besetzung von Führungspositionen, gleiches Geld für gleiche Arbeit verdienen Frauen auch heute noch nicht. BEATE WILLMS
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