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Dorf, Wiese, Terminal

Nachdem sie Altenwerder zwei Mal vernichtet hat, baut die Stadt an ihrem superteuren und superproduktiven Containerhafen  ■ Von Gernot Knödler

Altenwerder ist Geschichte. Wer aufs Dach des Info-Containers auf der Baustelle für den neuen Container-Hafen steigt, sieht kilometerweit nur Sand. Sand, gelbe Baustellenfahrzeuge und ein paar frische Asphaltstraßen. Die Leute von der Hamburger Hafen- und Lagerhaus-Aktiengesellschaft (HHLA), die den Terminal einmal nutzen werden, freuts: „Es ist eine ganz tolle Situation für einen Terminal-Planer“, sagt HHLA-Vorstandsmitglied Stefan Behn, „wir haben hier eine grüne Wiese vorgefunden.“

Eine „Wiese“ freilich, auf der sich nach Vernichtung des Dorfes Altenwerder viele seltene Tiere und Pflanzen angesiedelt hatten. Auch sie mussten dem größten und ehrgeizigsten Hafenprojekt Hamburgs weichen. Mit 200 Hektar ist es um ein Drittel größer als die geplante Hafencity und soll Hamburg auf den Schiffsverkehr der nächs-ten Jahre vorbereiten.

Der Umschlag im Hamburger Hafen werde in diesem Jahr vier Millionen Standardcontainer (Teu) erreichen, prognostiziert SPD-Wirtschaftssenator Thomas Mirow bei der Barkassenfahrt zur Baustelle. Eine Steigerung auf zehn bis zwölf Millionen sei zu erwarten, 15 Millionen im Bereich des Möglichen. In Altenwerder sollen, wenn der Terminal einmal fertig ist, 1,9 Millionen Standardcontainer im Jahr von den Schiffen gehoben werden können. „Der Hamburger Hafen bekommt in absehbarer Zeit kein Kapazitätsproblem“, sagt Mirow. Schließlich stünden als Reserve noch das Hafenerweiterungsgebiet in Moorburg und mögliche Fortschritte bei der Umschlaggeschwindigkeit zur Verfügung.

Bereits für Altenwerder hat die HHLA, die die Anlagen auf dem Terminalgelände errichten wird, große Pläne: Stündlich will der städtische Hafenbetreiber 150 Container abfertigen – fast doppelt so viele wie am Burchardkai. Eine ausgeklügelte Logistik machts möglich: Automatische Laster ohne Führerhaus bringen die Container von den Schiffen zu einem von 22 Stapelplätzen. Ihren Weg finden sie über viele in der Fahrbahn eingelassene Messpunkte. „Die Kollegen in Rotterdam haben das freundlicherweise für uns ausprobiert“, schmunzelt HHLA-Mann Behn. Jetzt sei die Technik reif für den Alltag.

Jeweils zwei übereinander fahrende Portalkräne auf den Lagerplätzen stapeln die Container in vier Lagen übereinander – auch das ein Rekord für Hamburg – oder sie reichen sie durch zu den Sattelschleppern, die auf der anderen Seite des Lagers warten. Die Züge zu beladen, die auf den Gleisen hinter der LKW-Abfertigung stehen, ist komplizierter: Die Container müssen zwischendurch auf Lastwagen umgeladen werden.

Mehr als 1,1 Milliarden Mark lässt sich die HHLA die Kräne, Automatik-Laster, Lagerflächen und Gleise kosten. 450 Menschen sollen hier einmal im Güterumschlag, weitere 70 bis 80 in der Instandhaltung arbeiten, trägt Behn vor, während in regelmäßigen Abständen Rammschläge den Info-Container der Baustelle wackeln lassen. Auf dem Burchardkai arbeiten zurzeit insgesamt 830 Männer und Frauen.

Doch bis die HHLA loslegen kann, dauert es noch ein Weilchen. Die Rammschläge zum Beispiel gehen aufs Konto der Stadt: Schräg treiben sie 30 Meter lange Rohre in den Boden, die mit Stahl-Armierung und Beton gefüllt werden. So entstehen die Pfähle, die das Fundament für die Kranspuren stützen und die den Kai tragen.

Am Nordende des ersten Bauabschnitts, zum Hansaport hin, lässt sich beobachten, wie der Kai gebaut wird. In zehn bis 15 Metern Abstand zum Wasser liegen halbfertige Fundamente mit rostiger Armierung im Sand. Querab warten eiserne Doppelpoller darauf, einbetoniert zu werden. Wo die Arbeit am wenigsten fortgeschritten ist, ragen schräge Rammpfähle aus dem Boden. Sie sollen den Kai tragen und die 24 Meter hohe Spundwand stützen, die verhindern soll, dass die Uferkante einstürzt. Unterhalb der 16,70 Meter tiefen Hafensohle ragt sie weitere 13 Meter ins Erdreich.

Davor sind Baggerschiffe noch immer dabei, das Hafenbecken zu vertiefen. Der Sand, den sie vom Grund der Süderelbe saugen, wird zu einem 28 Meter hohen Wall am Südrand des künftigen Geländes aufgeschüttet.

Die gesamte Vorbereitung des Geländes, samt Bodengewinnung, Kaimauer, Straßen und Gleisen, kostet Hamburg noch einmal knapp 600 Millionen Mark. Da kann die Stadt nur hoffen, dass nicht eine neue Generation noch größerer Containerschiffe gebaut wird. Denn zurzeit können „alle Schiffe nach Hamburg kommen“, wie Mirow sagt. Ob sie wohl noch größer werden, läßt Hamburg zusammen mit Bremen und Niedersachsen untersuchen. Falls ja, ist bereits ein Gutachten vereinbart, das klären soll, ob Cuxhaven oder Wilhelmshaven zu einem Tiefwasserhafen ausgebaut werden soll.

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