piwik no script img

Stauseen schaden dem Klima

Weil überflutete Pflanzen verrotten, können Stauseen über einst vegetationsreichen Tälern mehr Treibhausgase erzeugen als ein Kohlekraftwerk, so eine neue Studie

BERLIN taz ■ Große Stauseen können erheblich mehr Treibhausgase erzeugen als Kohlekraftwerke. Zu diesem Ergebnis kommt einem Bericht des Wissenschaftsjournals New Scientist zufolge die Weltkommission für Staudämme (WCD). Laut deren Berechnungen produziert etwa der 1988 in Betrieb genommene Balbina-Stausee in Brasilien in den ersten 20 Jahren seines Betriebs im Schnitt das Achtfache dessen, was ein Kohlekraftwerk mit derselben elektrischen Leistung an Treibhausgas in die Luft blasen würde. Ursache dafür sind die Pflanzen, die vom Stausee überflutet wurden und nun beginnen zu verrotten. Dabei wird Methan frei, welches ein 21-mal schädlicheres Treibhausgas ist als Kohlendioxid, dass beim Verbrennen von Kohle entsteht.

Das Problem ist umso größer, je flacher und reicher an Biomasse ein Stausee ist. Der Balbina-See ist teilweise nur vier Meter tief. Zwar sind nach einer Weile alle ursprünglichen Pflanzen unter Wasser verrottet – doch damit ist das Problem nicht gegessen. Denn jeder Fluss spült ständig weitere Biomasse an, die sich im Stausee sammelt und zersetzt.

Anders als im Flusslauf selbst, dessen Wasser durch die Bewegung ständig Sauerstoff aus der Luft aufnehmen kann, ist im Stausee nur wenig Sauerstoff vorhanden. Ist der Sauerstoff im Wasser aber knapp, verrotten die Pflanzen unter Bildung von Methan anstatt, wie sonst üblich, von Kohlendioxid. Selbst wenn nach gut 40 Jahren die ursprünglichen Pflanzen komplett verrottet sind, wird deshalb der Balbina-Stausee immer noch stärker das Klima schädigen, als ein Kohlekraftwerk.

Auch der Petit-Saut-Stausee in Französisch-Guyana gibt mehr Treibhausgase ab als ein Kohlekraftwerk. Doch ist dieser Effekt nicht immer so schlimm. Die Schädlichkeit von Stauseen kann sich je nach Lage um den Faktor 500 unterscheiden, ermittelte die WCD. Klar ist aber, dass Umweltschützer, die großen Stauprojekten wegen ihrer Naturzerstörung meist kritisch gegenüber stehen, nun ein weiteres Argument haben.

Die WCD wird getragen von der Weltbank und der Umweltorganisation World Conservation Union. Sie will ihren Bericht in zwei Wochen in Bonn auf der Klimakonferenz vortragen.

MATTHIAS URBACH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen